01 - Winnetou I
herübergekommen und weiß also wohl noch nicht, wie die Menschen diesseits dieses Wassers denken und leben. Ja, wir haben viele Pferde; aber es kamen weiße Männer zu uns, welche Pferde kaufen wollten, so viel Pferde, wie wir nicht entbehren konnten. Da erzählten sie uns von den Pferdeherden der Apachen und sagten uns, daß sie für ein Apachenpferd uns ebensoviel Waren und Brandy geben würden wie für ein Kiowapferd. Da sind unsere Krieger fort, um Apachenpferde zu holen.“
Also richtig! Wer war schuld am Tod der bisher Gefallenen und an dem Blutvergießen, welches nun noch bevorstand? Weiße Pferdehändler, welche mit Brandy bezahlen wollten und die Kiowas förmlich auf den Pferderaub hingewiesen hatten! Ich hätte wohl meinem Herzen Luft gemacht, aber Sam winkte mir sehr energisch zu und erkundigte sich:
„Mein Bruder, der Fuchs, ist als Kundschafter ausgegangen?“
„Ja.“
„Wann folgen eure Krieger nach?“
„Sie sind um den Ritt eines Tages hinter uns.“
„Von wem werden sie angeführt?“
„Von Tangua, dem tapfern Häuptling selbst.“
„Wieviel Krieger hat er bei sich?“
„Zweimal hundert.“
„Und ihr glaubt, die Apachen zu überraschen?“
„Wir werden über sie kommen wie der Adler über die Krähen, die ihn nicht gesehen haben.“
„Mein Bruder irrt. Die Apachen wissen es, daß sie von den Kiowas überfallen werden sollen.“
Der Fuchs schüttelte ungläubig den Kopf und antwortete:
„Woher sollten sie es wissen? Reichen ihre Ohren bis zu den Zelten der Kiowas?“
„Ja.“
„Ich verstehe meinen Bruder Sam nicht. Er mag mir sagen, wie er dieses Wort meint.“
„Die Apachen haben Ohren, welche gehen und auch reiten können. Wir haben gestern zwei solche Ohren gesehen, welche bei den Zelten der Kiowas gewesen sind, um zu lauschen.“
„Uff! Zwei Ohren? Also zwei Späher?“
„Ja.“
„Da muß ich augenblicklich zum Häuptling zurück. Wir haben nur zweihundert Krieger mitgenommen, weil wir nicht mehr brauchen, wenn die Apachen nichts ahnen. Wenn sie es aber wissen, so brauchen wir weit mehr.“
„Meine Brüder haben nicht alles reiflich überlegt. Intschu tschuna, der Häuptling der Apachen, ist ein sehr kluger Krieger. Als er sah, daß seine Leute vier Kiowas getötet hatten, sagte er sich, daß die Kiowas den Tod dieser Leute rächen würden, und machte sich auf, euch zu beschleichen.“
„Uff, uff! Er selbst?“
„Ja, er und sein Sohn Winnetou.“
„Uff, auch dieser! Hätten wir das gewußt, so wären diese beiden Hunde gefangen worden! Sie werden nun eine ganze Menge Krieger versammeln, um uns zu empfangen. Ich muß dies dem Häuptling sagen, damit er halten bleibt und noch mehr Krieger nachkommen läßt. Werden Sam und Old Shatterhand mit mir reiten?“
„Ja.“
„So mögen sie rasch ihre Pferde besteigen!“
„Nur langsam! Ich habe vorher noch sehr notwendig mit dir zu reden.“
„Das magst du mir unterwegs sagen.“
„Nein. Ich werde mit dir reiten, aber nicht zu Tangua, dem Häuptling der Kiowas, sondern du wirst mich nach unserm Lager begleiten.“
„Mein Bruder Sam irrt sich da sehr.“
„Nein. Höre, was ich dir sage! Wollt ihr Intschu tschuna, den Häuptling der Apachen, lebendig fangen?“
„Uff!“ rief der Kiowa wie elektrisiert, und seine Leute spitzten die Ohren.
„Und seinen Sohn Winnetou dazu?“
„Uff, uff! Ist das denn möglich?“
„Es ist sehr leicht.“
„Ich kenne meinen Bruder Sam, sonst würde ich glauben, auf seiner Zunge wohne jetzt ein Scherz, den ich nicht dulden darf.“
„Pshaw! Ich spreche im Ernst. Ihr könnt den Häuptling und seinen Sohn lebendig fangen.“
„Wann?“
„Ich glaubte, in fünf, sechs oder sieben Tagen; nun aber weiß ich, daß es viel früher geschehen kann.“
„Wo?“
„Bei unserem Lager.“
„Ich weiß nicht, wo es sich befindet.“
„Ihr werdet es sehen, denn ihr werdet uns sehr gern hinbegleiten, wenn ihr gehört habt, was ich euch jetzt sagen will.“
Ich erzählte ihnen nun von unserer Sektion, von dem Zweck derselben, gegen den sie ganz und gar nichts hatten, und dann von dem Zusammentreffen mit den beiden Apachen. Hieran fügte er die Bemerkungen:
„Ich wunderte mich, die beiden Häuptlinge allein zu sehen, und nahm an, daß sie sich auf der Büffeljagd befänden und sich für kurze Zeit von ihren Kriegern getrennt hätten. Nun aber weiß ich sehr genau, woran ich bin. Die beiden Apachen sind bei euch gewesen, um zu kundschaften. Und daß sie, die
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