01 - Winnetou I
nun sein! Aber wer unter die Musikanten gerät, muß mitblasen.
Der Fuchs reichte Sam die unfriedliche Friedenspfeife hin. Der Mann tat wacker seine sechs Züge und sagte:
„Der große Geist achtet nicht auf die verschiedene Haut der Menschen, denn die können sie sich mit Farbe beschmieren, um ihn zu täuschen, sondern er sieht das Herz an. Die Herzen der Krieger vom berühmten Stamm der Kiowas sind tapfer, unerschrocken und treu. Das meinige hängt an ihnen wie mein Maultier an dem Baum, an welchen ich es gebunden habe. So wird es hängen bleiben allezeit, wenn ich mich nicht irre. Ich habe gesprochen. Howgh!“
Das war nun freilich Sam Hawkens, der listiglustige kleine Mann, der jedem Ding und jedem Verhältnis eine erträgliche Seite abzugewinnen verstand. Seine Rede wurde mit einem allgemeinen, wiederholten „Uff, uff, uff!“ belohnt. Leider beging er die Freveltat, nun mir das tönerne Stinktier in die Hand zu schieben. Ich war gezwungen, in den sauren Apfel zu beißen, und nahm mir vor, meine edle Würde zu bewahren und die Züge meines männlich ernsten Gesichts zu beherrschen. Ich rauche sehr gern, und mir ist nie im Leben eine Zigarre zu stark gewesen. Ich habe sogar den famosen ‚Dreimännertabak’ geraucht, welcher diesen Namen seinem fürchterlichen Geschmack verdankt; wer ihn raucht, muß, wenn er nicht umfallen will, von drei Männern festgehalten werden. Ich konnte also erwarten, daß mich auch diese indianische Friedensröhre nicht über den Haufen werfen werde. Ich erhob mich also, machte mit der linken Hand eine zur Andacht auffordernde Bewegung und tat den ersten Zug. Ja, es stimmte, die vorhin angegebenen Ingredienzien, nämlich Rüben, Hanf, Eicheln und Sauerampfer, waren alle in dem Pfeifenkopf anwesend; aber einen fünften Hauptstoff hatte ich nicht genannt; jetzt roch und schmeckte ich, daß auch ein Stückchen Filzschuh dabei sein müsse. Ich blies den Rauch auch gegen den Himmel und gegen die Erde und sagte dann:
„Vom Himmel kommt der Sonnenstrahl und der Regen; von ihm kommt jede gute Gabe und aller Segen. Die Erde empfängt die Wärme und Nässe und spendet dafür den Büffel und den Mustang, den Bären und den Hirsch, den Kürbis, den Mais und vor allem die edle Pflanze, aus welcher die klugen roten Männer den Kinnikinnik bereiten, welcher aus der Friedenspfeife den Duft der Liebe und Verbrüderung spendet.“
Ich hatte nämlich gelesen, daß die Indianer ihren Mischtabak Kinnikinnik nennen, und brachte diese Kenntnis heut schleunigst am richtigen Platz an. Nun sog ich mir den Mund zum zweitenmal voll Rauch und blies denselben gegen die vier Himmelsgegenden. Der Geruch war noch voller und komplizierter als vorhin; ich glaubte ganz bestimmt, daß noch zwei weitere Bestandteile anzuführen seien, nämlich Kolophonium und abgeschnittene Fingernägel. Nach dieser trefflichen Entdeckung fuhr ich fort:
„Im Westen ragt das Felsengebirge empor, und im Osten dehnen sich die Ebenen; im Norden leuchten die Seen, und im Süden wallt das große Wasser des Meeres. Wäre alles Land mein, was zwischen diesen vier Grenzen liegt, ich würde es den Kriegern der Kiowas schenken, denn sie sind meine Brüder. Mögen sie in diesem Jahr zehnmal so viel Büffel und fünfzigmal so viel Grizzlybären jagen, als sie Köpfe zählen. Die Körner ihres Maises mögen wie Kürbisse sein und ihre Kürbisse so groß, daß man aus der Schale eines einzigen zwanzig Kürbisse schneiden kann. Ich habe gesprochen. Howgh!“
Mir verursachte es keine unbezahlbaren Ausgaben, ihnen diese Herrlichkeiten zu wünschen, sie aber freuten sich darüber, als ob sie sie wirklich bekommen hätten. Meine Rede war die geistreichste, die ich in meinem Leben gehalten habe, und so wurde sie dann auch mit einem Jubel aufgenommen, welcher in Anbetracht der von den Indianern stets bewahrten kalten Ruhe gewiß beispiellos war. So viel hatte ihnen noch kein Mensch, am allerwenigsten ein Weißer, gewünscht und gar schenken wollen; darum wollten die immer wiederkehrenden, anerkennenden „Uff, uff!“ gar kein Ende nehmen. Der Fuchs drückte mir wiederholt die Hand, versicherte mich seiner Freundschaft für alle Zeiten und riß bei seinen Howgh, Howghs den Mund so weit auf, daß es mir glückte, die Friedens- und Ingredienzienpfeife loszuwerden, indem ich sie ihm zwischen die langen, gelben Zähne schob. Er schwieg sofort, um den Inhalt in denkbarer Sammlung weiter zu genießen.
Das war meine erste ‚heilige Handlung’ bei den
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