010 - Die Todesengel
gar nichts davon, daß er mit Ihnen verabredet ist.«
»Geben Sie den Weg frei, Arnie!« sagte Dorian wütend. »Ich muß mit Dr. Deming reden.«
»Gedulden Sie sich bis morgen oder übermorgen, Mr. Hunter«, sagte Arnie, und es klang wie eine Bitte. »Vielleicht treffen Sie ihn sogar heute abend im Bungalow der Schwestern. Dann können Sie mit ihm Ihre Probleme erörtern.«
»Ich muß aber jetzt zu ihm.«
»Tut mir leid, Mr. Hunter. Wir haben eine Hausordnung, an die sich alle halten müssen. Ein bißchen Disziplin muß sein, sonst ginge es hier drunter und drüber.«
Als Dorian die beiden Pfleger erreicht hatte, wollten sie nach seinen Armen greifen. Dorian hatte sich jedoch in einen solchen Zorn gesteigert, daß er nicht daran dachte, sich diese Behandlung gefallen zu lassen. Er schlug Arnie blitzschnell die Faust in den Magen. Bevor er sich jedoch dem anderen Pfleger zuwenden konnte, hatte ihm dieser den Arm auf den Rücken gebogen, und Arnie, der sich von dem Schlag überraschend schnell erholt hatte, hielt seinen anderen Arm fest. So brachten sie ihn zum Zellentrakt, und Dorian machte zum erstenmal in seinem Leben Bekanntschaft mit einer Zwangsjacke. Er hatte die Arme auf der Brust gekreuzt, und die überlangen Ärmel der Jacke waren auf seinem Rücken zusammengebunden worden, und er saß in einer Zelle, deren Wände tatsächlich aus einem gummiartigen, weichen Material bestanden, so daß man sich an ihnen nicht den Schädel einrennen konnte.
Arnie trug ihm nichts nach, und das ärgerte Dorian ungemein, weil es ihm zeigte, daß er ihn für unzurechnungsfähig hielt. Der Pfleger fütterte ihn Löffel um Löffel und mit einer Engelsgeduld.
»Ich gebe Ihnen Revanche, Arnie«, sagte Dorian. »Hauen Sie mir nur ruhig eine runter, aber befreien Sie mich aus diesem Narrengewand!«
Arnie schob ihm einen Löffel mit Grießbrei zwischen die Zähne und sagte: »Ich bin Ihnen doch gar nicht böse, Mr. Hunter. Jedem kann einmal der Geduldsfaden reißen.«
»Eben«, sagte Dorian, als er den scheußlichen Brei hinuntergewürgt hatte. »Ich kann es einfach nicht ertragen, bevormundet zu werden. Verflucht, ich bin wahrscheinlich normaler als Sie!«
»Aber alles muß seine Ordnung haben, Mr. Hunter. Hier – noch ein Löffelchen.«
»Ich wollte doch nur zu Dr. Deming. Ich muß ihn sprechen. Ich brauche verschiedenes, was ich wegen des überstürzten Aufbruchs nicht von zu Haus mitnehmen konnte. Warum versteckt sich Deming denn vor mir?«
»Es geht ums Prinzip, Mr. Hunter. Bei uns gibt es keinen Streß. Die Uhren gehen bei uns langsamer. Sie werden sich diesem neuen Lebensrhythmus anpassen müssen. Brav runterschlucken, Mr. Hunter!«
»Verstehen Sie denn nicht? Es geht um Leben und Tod.«
»Klar, verstehe ich.«
»Einen Dreck verstehen Sie!«
»Aber, aber, Mr. Hunter!«
Dorian seufzte. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so hilflos gefühlt.
Arnie mußte seine Resignation bemerkt haben, denn er sagte aufmunternd: »Wenn Sie schön artig sind, haben Sie noch heute abend Gelegenheit, Dr. Deming bei den Schwestern zu sehen. Es hängt alles von Ihnen ab, Mr. Hunter.«
»Gut, ich werde friedlich wie ein Lamm sein.«
»Fein, das höre ich gern, Mr. Hunter. Dann wollen wir nach dem Essen duschen gehen.«
»Aber ich habe doch erst heute morgen geduscht!«
»Tut mir leid, aber wir müssen uns an die Hausordnung halten.«
Der Duschraum bestand aus einem halben Dutzend offener Nischen, denen gegenüber zwei Pfleger saßen, die ein wachsames Auge auf die Patienten hatten. Außer Dorian mußte noch ein zweiter Patient duschen, der nicht älter als er selbst sein konnte, aber gut doppelt soviel wog.
»Bist du Danny?« erkundigte sich Dorian, während sie unter der Brause standen. »Ich heiße Dorian Hunter.«
Der andere nickte stumm, während er sich einseifte.
»Ich habe von Gene gehört, daß Kitty dir übel mitgespielt hat«, fuhr Dorian fort. »Das muß ja ein ganz schönes Luder gewesen sein.«
Danny hielt in seiner Tätigkeit inne und starrte Dorian an. In seinem Gesicht begann es zu zucken.
»Sie – sie hat mich geradezu herausgefordert«, sagte er mit sich überschlagender Stimme. »Sie wollte es so. Ich habe geglaubt, daß ich schon längst darüber hinweg bin. Deshalb habe ich mich zu ihrem Bungalow geschlichen. Ich wollte testen, ob mich eine nackte Frau wirklich nicht mehr aufregen kann. Aber – aber als sie dann nur mit einem Morgenmantel vor mir stand – und mich geradezu aufforderte, sie zu …
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