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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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konnte sich nicht helfen: Aber aus all diesen schrägstehenden Katzenaugen leuchtete ihm Hoffnung entgegen.
    Und maßloses Vertrauen…
    ***
    Rahndra hatte den ganzen Weg über nicht den körperlichen Kontakt zu Professor Zamorra verloren. Sie schritt an seiner Seite wie eine Königin. Aufrecht, mit durchgebogenem Rückgrat. Majestätisch.
    Sie erreichten den Fahnenmast vor dem Eingang zur Grotte. Er war tatsächlich einer.
    Mit dem Betrieb der Zugwinde kam Zamorra wieder in den Besitz seines Amuletts. Er löste es von der Schnur und legte es sich beinahe andächtig um den Hals. So ausgerüstet trat er jedem Feind gegenüber.
    Hinter dem roten Vorhang wurde ein unmenschliches, animalisches Brüllen laut. Der Vorhang bauschte sich ins Tal der Verdammten heraus, wie von einem Sturm gebläht. Von einem Sturm, der nicht irdischer Herkunft war.
    Vor dem Vorhang brannten Fackeln. Zamorra sammelte die meisten davon ein. Rahndra wich nicht von seiner Seite. Sie klammerte sich förmlich an ihn, und sie half ihm, die Fackeln auf den Vorhang zuzuwerfen.
    Egal, welche Art von Stoff es war, der die Grotte von der Schlucht der Menschentiger abschloß: Jedenfalls fing er Feuer.
    Da!
    Ein urzeitliches Brüllen und Fauchen, während die Flammen den Vorhang fraßen. Sie fraßen ihn ungeheuer schnell.
    In der Grotte hockte ein Tiger von den Ausmaßen eines vierstöckigen Hauses. Zweieinhalb Stockwerke davon machte der riesige, weit geöffnete Rachen aus. Durgha saß wie auf einem Thron zwischen den Reißzähnen. Die rote Zunge blieb im Rachen. Zamorra hätte in diesen Schlund hineingehen können wie in die Konzertmuschel eines Parks in einem Bäderkurort.
    Der Tierrachen schnappte zu. Kurz vor Professor Zamorra.
    Der Tiger war die Manifestion des Dämons, den es zu vernichten galt, der vernichtet werden mußte.
    Zamorra vertraute auf die Kräfte seines Amuletts. Er vertraute ihnen blind.
    Als sich der Rachen ein weiteres Mal öffnete, sprang er hinein, stürzte dabei die aufschreiende Durgha von ihrem Sockel. Dann befand er sich inmitten dieses riesenhaften Mauls.
    Er zerrte das Amulett Leonardo de Montagnes von seinem Hals, hielt es hoch über seinen Kopf, bemühte sich, die Seitenwände dieses Rachens damit zu berühren.
    Und das gelang ihm.
    Das Ergebnis war ungeheuerlich.
    Der Tigerrachen, in dem er sich befand, schien zu bröselndem Stein zu werden. Die Zähne vor ihm wurden morsch, bröckelten herab wie schlechter Verputz, der einer Erschütterung ausgesetzt ist. Die Zunge, auf der er stand, gab unter seinem Gewicht nach. Über Zamorra kreischte und knackte das Gestein. Die Höhle konnte jeden Augenblick zusammenbrechen, ihn unter sich begraben.
    Zamorra schaffte es gerade noch, sich mit einem Hechtsprung ins Freie zu retten, wo er Zeuge eines noch unglaublicheren Vorgangs wurde: Die Tigermenschen lösten sich auf. Sie vergingen, zerbröselten, sanken in sich zu einem Häufchen Asche zusammen.
    Das Tal war leer…
    Und als er sich umwandte: die Grotte mit dem Tiger gab es nicht mehr. Sie war zusammengefallen zu einem unansehnlichen Steinhaufen. Leer war auch die Schlucht.
    Zamorra fuhr zusammen, als ein weicher Arm ihn berührte.
    Rahndra…
    Sie kam ihm anders vor. Durchscheinend wie ein Blatt Seidenpapier.
    »Wir danken dir, Zamorra. Wir danken dir mehr, als wir sagen können. Du hast Shirangar vernichtet. Ich habe nur noch wenige Sekunden, die Vishnu mir gewährte. Vishnu, der Gott aller Götter. Laß mich die Zeit nützen, um dir zu sagen, wie dankbar ich dir bin. Bist du jemals von einem Menschentiger geliebt worden, Zamorra?«
    Zamorra schwieg.
    »Ich bin der letzte aller Menschentiger, mein Geliebter. Und ich habe dich geliebt…«
    Rahndra löste sich auf, wurde zu einem Nebel, der himmelwärts stieg. Und gleichzeitig bekam Professor Zamorra eine Veränderung zu verspüren.
    Kühle Nachtluft umfächelte ihn. Das Lagerfeuer brannte kaum noch.
    »Gehen wir«, sagte Professor Zamorra. »Wir sind fertig hier.«
    An seiner Brust baumelte das Amulett.
    ENDE

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