Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
Kapitel 1
Nash Barron mochte dem Leben und seit Kurzem auch der Liebe gegenüber reichlich zynisch eingestellt sein, aber sogar er fand Hochzeiten normalerweise romantisch. Das heutige Ereignis bildete jedoch eine Ausnahme. In der Einladung hatte es geheißen, es würden › enge Freunde und Familienmitglieder ‹ zugegen sein, und Nash fragte sich, ob ihm als Einzigem die Ironie daran aufgefallen war.
Der Bräutigam und seine beiden Brüder, darunter auch Nash, hatten zehn Jahre lang keinerlei Kontakt miteinander gehabt, und das heutige Blumenmädchen, ihre kürzlich aufgetauchte Halbschwester Tess, kannten sie erst seit sechs Wochen. Der Vater der Braut saß im Gefängnis, weshalb selbige von ihrem exzentrischen Freund, einem schwulen Innenausstatter, zum Altar geführt worden war, während sich ihre Mutter schon den ganzen Nachmittag mit Wein betrank, um den Verlust ihrer geliebten Villa zu betrauern, in der die Hochzeit stattfand. Das pompöse Herrenaus, das auf einem Hügel ihrer Heimatstadt Serendipity unweit von New York stand, befand sich nämlich mittlerweile im Besitz des Bräutigams Ethan Barron.
Wenn Nash so darüber nachdachte, war die Ironie der Situation wahrscheinlich das Einzige, das er am heutigen Tag bislang so richtig genossen hatte.
Das und die Gegenwart von Kelly Moss, jener Frau, die in einiger Entfernung von ihm auf dem sattgrünen Rasen im Garten der Villa stand und an ihrem Champagner nippte.
Tess war Nashs Halbschwester, hervorgegangen aus einer Affäre seines Vaters mit Tess’ Mutter, und ihre Halbschwester Kelly war eine Frau mit einer gehörigen Portion Sex-Appeal, die ihn abwechselnd frustrierte, faszinierte und antörnte. Ihr Verhältnis zueinander war kompliziert und zugleich so einfach, dass man es in einem Satz zusammenfassen konnte: Kelly Moss war eine schöne Frau, mit der er in keinster Weise blutsverwandt war.
Was sein Interesse an ihr allerdings auch nicht akzeptabler machte. Es war wohl das Klügste, wenn er die Bekanntschaft mit ihr nicht weiter vertiefte. Nash fühlte sich in der Gegenwart der Moss-Schwestern ohnehin stets irgendwie unbehaglich, und er konnte sich nicht erklären, warum es ihm nicht gelang, eine Beziehung zu seiner vierzehnjährigen Halbschwester aufzubauen, die wild entschlossen schien, ihm weiterhin die kalte Schulter zu zeigen.
Auch von Kelly hatte Nash nicht unbedingt einen guten ersten Eindruck bekommen, hatte sie doch ihre Halbschwester im Sommer kurzerhand bei Ethan abgesetzt, der für Tess damals noch ein völlig fremder Mensch gewesen war. Sie hatte von Ethan verlangt, den aufsässigen Teenager in seine Obhut zu nehmen. Dieser hatte die widerspenstige Kleine innerhalb kürzester Zeit gezähmt, wie Nash zugeben musste, obwohl er Ethan nur ungern Anerkennung zollte. Trotzdem war Kellys Verhalten in seinen Augen inakzeptabel. Und dann war sie plötzlich wieder aufgetaucht, nur um kurz darauf sogar nach Serendipity zu ziehen. Er war ihr – verständlicherweise, wie er fand – mit Argwohn begegnet, hatte zugleich aber auch feststellen müssen, dass er sich erschreckend heftig zu ihr hingezogen fühlte. Und daran hatte sich seit ihrer ersten Begegnung nichts geändert.
Nash wandte sich ab, und sein Blick fiel auf seinen Bruder Ethan, dessen Leben nun eindeutig eine Wendung zum Guten genommen zu haben schien. Es war ein perfekter Tag für eine Hochzeit. Obwohl es schon Anfang Oktober war, zeigte das Thermometer zwanzig Grad Celsius an, weshalb die Feierlichkeiten im Freien stattfinden konnten. Ethan hatte den Arm um seine Frau Faith gelegt und unterhielt sich gerade mit Dare, dem Jüngsten von ihnen, der Ethan die Fehler der Vergangenheit inzwischen offenbar verziehen hatte.
Doch Nash brachte es nicht über sich, Ethan gegenüber eine derartige Nachsicht walten zu lassen, nachdem er ihn und Dare vor zehn Jahren einfach im Stich gelassen hatte.
Er warf einen Blick auf die Uhr und kam zu dem Schluss, dass er nun lange genug hier gewesen war. Das Brautpaar war vermählt, die Torte angeschnitten, der Brautstrauß geworfen. Er trank seinen Champagner aus, stellte das leere Glas auf dem Tablett einer vorbeigehenden Kellnerin ab und machte sich auf den Weg zum Haus.
»Willst du etwa schon gehen?«, fragte eine vertraute weibliche Stimme.
»Naja, im Grunde ist es vorbei.« Er drehte sich zu der Frau um, der eben noch seine Gedanken gegolten hatten.
Kelly trat zu ihm, so nah, dass ihm ihr warmer, verlockender Zitronenduft in die Nase stieg. Sie
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