0104 - Portaguerra
Boden. Sie stiegen über Geröllhalden hinweg und wichen mit traumwandlerischer Sicherheit im Weg liegenden Felsen aus. Sie verhinderten, daß sich Jane in das Hotel rettete.
Jane war kein ängstlicher Typ. Trotzdem spürte sie ein Kribbeln auf der Kopfhaut, als sie stehenblieb und die Untoten erwartete.
Flucht hatte keinen Sinn. Sie waren zu zweit und konnten sie in die Enge treiben. Jane wollte sich zum Kampf stellen.
Die Beretta lag schwer in ihrer Hand. Das war eine andere Waffe als ihre Astra-Pistole. Der Stahl fühlte sich kalt an.
Kalt wurde es Jane auch, als sie Roberto Maledusas Gesicht zum ersten Mal aus der Nähe sah. Zu Lebzeiten hatte der junge Italiener sicher gut ausgesehen, ein Mädchenschwarm. Jetzt waren seine schwarzen Augen gebrochen, und seine athletische Gestalt wies die Spuren des Todessturzes auf.
Jane entsicherte die Pistole. »Stehenbleiben!« rief sie den beiden Untoten zu, obwohl sie schon jetzt ahnte, daß es keinen Sinn hatte.
Sie gingen unbeirrt weiter, trennten sich und schwenkten nach beiden Seiten auseinander. Jane mußte sich nun auf zwei einzelne Gegner konzentrieren.
Sie hätte schießen können, aber es widerstrebte ihr, da sie ganz genau wußte, was passierte, wenn das Silbergeschoß traf. Sie scheute davor zurück, die beiden Männer zu vernichten, auch wenn sie jetzt schon tot waren.
Das kostete sie wertvolle Sekunden, Sekunden, die über ihr Leben entscheiden konnten.
Jane ging rückwärts. Sie wußte, daß es bis zum Abgrund noch weit war. Von dieser Seite drohte ihr keine Gefahr. Sie blickte sich nur von Zeit zu Zeit um, damit sich nicht inzwischen die Lerois-Brüder an sie heranschlichen. Jane wußte nicht, wo sie sich aufhielten.
Dabei übersah sie aber einen Stein, nur faustgroß und doch verhängnisvoll. Sie stolperte, schrie auf und griff erschrocken in die Luft. Jane stürzte schwer und rollte einen kleinen Abhang hinunter.
Halb betäubt blieb sie liegen.
Ein dunkler Schatten wuchtete vor ihr auf. Roberto Maledusa!
Jane riß die rechte Hand hoch. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als zu schießen.
Entsetzt starrte sie auf ihre leere Hand. Bei dem Sturz hatte sie die Pistole verloren!
Jane Collins war wehrlos!
In diesem Moment griff der Untote an…
***
Portaguerra hatte kaum den Mordbefehl gebrüllt, als Shaun gegen ihn prallte und ihn zu Boden riß.
Ich konzentrierte mich auf die Lerois-Brüder, die Minouche Loughelin in den Abgrund schleudern sollten.
Hätten sie es sofort getan, wäre Minouche verloren gewesen. So aber drehten die Untoten die Frau um, wahrscheinlich, damit sie die letzten Sekunden vor ihrem Ende noch mehr litt, wenn sie in die Tiefe blickte.
Minouche entwickelte übermenschliche Kräfte, die ihr die Todesangst verlieh. Vermutlich lockerte auch einer der Untoten für einen Sekundenbruchteil den Griff an ihrem Arm, so daß sie von ihm loskam und sich zurückwerfen konnte.
Zwar hing sie noch immer hilflos fest, und der zweite Lerois-Bruder konnte sie mit spielender Leichtigkeit umbringen, aber ich hatte meine große Chance.
Die Beretta knallte scharf. Es war schwer, auf diese Distanz zu schießen, noch dazu fast senkrecht nach unten, aber die Silberkugel traf ihr Ziel. Den Untoten, der Minouche noch festhielt.
Sie stemmte sich gegen ihn, und als das Silber auf der Stelle seine Existenz auslöschte, kam sie frei. Seine Leichenfinger glitten von ihr ab. Sie stürzte nach hinten und überschlug sich. Wie tot blieb sie liegen.
Das gab ihr noch einen Aufschub. Der Untote löste sich zu Staub auf, während er zusammenbrach. Der zweite wollte sich auf Minouche werfen. Mitten im Sprung erwischte ihn die zweite Silberkugel. Zwar fiel er auf die Frau, doch er hatte nicht mehr die Kraft, sie zu töten.
Ein mörderischer Aufschrei fuhr mir durch Mark und Bein.
Shaun hatte ihn ausgestoßen. Der rothaarige Ire rang mit Portaguerra um sein Leben.
Gegen die Mumie nutzten ihm auch seine gewaltigen Kräfte nichts. Er mußte unterliegen!
Portaguerra hielt ihn am linken Bein und am Genick gepackt und schwang ihn hoch über seinen Kopf. Ein Ruck genügte, und Shaun…
Ich zog durch. Die Kugel war zu hastig abgefeuert. Sie traf nicht genau, aber Portaguerra knickte das rechte Bein unter dem Körper weg. Das geweihte Geschoß hatte seinen rechten Fuß getroffen.
»John Sinclair, das wirst du büßen!« brüllte er zu mir herauf.
Einen Untoten hätte auch dieser unbedeutende Treffer vernichtet, nicht so Portaguerra, den Magier, den Herrn
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