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0104 - Portaguerra

0104 - Portaguerra

Titel: 0104 - Portaguerra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wunderer
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Grenoble nach Turin Fensterplätze bekommen. Außer uns saß nur noch ein nervöser, schmalbrüstiger junger Mann im Abteil, der ständig auf seine Uhr sah. Für einen Moment überlegte ich, warum er es wohl so eilig hatte. Vielleicht hing sehr viel für ihn davon ab, daß der Zug keine Verspätung hatte. Man weiß schließlich nie, was in seinen Mitreisenden vor sich geht.
    Jane lenkte mich ab, indem sie ihre Hand auf meine legte. Der Zug ging in eine Kurve. Die Sonnenstrahlen wandelten durch das Fenster und ließen Janes Haar wie pures Gold aufleuchten. Um ihre Lippen lag ein weiches Lächeln.
    »Weißt du, John, was ich an den Bergen so schön finde?« fragte sie lachend. »Sie schaukeln nicht so wie unsere Kanalfähre! Wenn ich noch daran denke!«
    »Ja, ja, wir hatten ganz schön rauhe See«, murmelte ich und streifte mit Blicken Janes von der langen Fahrt etwas knautschige rote Wickelbluse und die nackten Schultern. Ihre Haut schimmerte wie Alabaster und lenkte mich ganz gehörig von den eigentlichen Problemen dieser Reise ab. »Bist du nicht ein wenig zu luftig für die Berge angezogen, Darling? Wir müssen immerhin auf den Col du Lauterset hinauf, und da kann es ganz schön kalt sein.«
    Jane deutete über sich in das Gepäcknetz. »Ich bin auf alles vorbereitet, John.« Sie beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr: »Starr mich nicht so an, John. Es genügt schon, wenn der Knabe da drüben Stielaugen bekommt.«
    Jetzt merkte auch ich, daß unser Mitreisender Jane mit Blicken verschlang. Das machte mich zwar eifersüchtig, gleichzeitig aber war ich aber auch stolz auf Jane. Wir waren schließlich eng befreundet und gingen nicht nur gemeinsam auf Geisterjagd.
    »Wie weit ist es noch?« erkundigte sich Jane.
    Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Der Zug bremste vor einer langgezogenen Kurve. Die Bremsen faßten kreischend.
    »Das könnte schon Modane sein«, sagte ich zu Jane und ließ meinen Blick über das Bergpanorama schweifen. Schade, daß wir nicht als gewöhnliche Touristen kamen. Hinter der Kleinstadt stieg eine düster und drohend wirkende Felswand senkrecht in den Himmel. Sehr malerisch, für uns aber ein hartes und gefährliches Stück Arbeit, wenn Bills Vermutungen stimmten. Falls der Reporter keine Gespenster gesehen hatte, lauerten in dieser Wand meine dämonischen Feinde, die von der Hölle geschickt wurden, um die Menschen zu terrorisieren.
    Der Schmalbrüstige nickte heftig. »Modane, Modane!« rief er und deutete nach draußen. Ich nickte ihm dankend zu und wuchtete Janes und meine Koffer aus dem Gepäcknetz. Als auch Jane sich mit einem Kopfnicken revanchierte, wurde der Junge feuerrot im Gesicht. Der Mund blieb ihm offen stehen, als sich Jane an ihm vorbei auf den Gang schlängelte. Fairerweise gebe ich zu, daß es mir an seiner Stelle wahrscheinlich nicht viel anders ergangen wäre. Jane war schon eine Augenweide, wie ihre Hüften so hin und her schwangen, um die Stöße des Wagens auszugleichen! Ich seufzte tief auf. Es wäre eine feine Sache gewesen, mich zusammen mit Jane in einer schnuckeligen Berghütte einzuigeln und nur gelegentlich die Nase ins Freie zu stecken, damit wir hinterher sagen konnten, wir hätten auch etwas von den französischen Alpen gesehen!
    Der Zug hielt mit einem harten Ruck. »Der Lokführer soll sich sein Lehrgeld zurückgeben lassen!« rief Jane wütend und rieb sich mit blitzenden Augen die Schulter, die sie sich bei der unsanften Bremsung gestoßen hatte. Sie öffnete die Tür und sprang auf den Bahnsteig hinaus. Ich folgte langsamer, da ich die Koffer schleppen mußte. Ich bin durchtrainiert und recht kräftig, aber die beiden Dinger hingen wie Marmorblöcke an meinen Händen.
    »Hast du Pflastersteine eingepackt?« fragte ich keuchend, als ich Janes Koffer aus dem Wagen hievte.
    »Das ist meine Bergausrüstung«, antwortete sie spitz. »Wenn dir der Koffer zu schwer ist, muß ich ihn eben tragen.«
    »Du mißbrauchst mich«, beschwerte ich mich. »Du weißt, daß ich ein Kavalier alter Schule bin.«
    »Ich höre wohl nicht richtig.« Jane tat, als ließen ihre Ohren sie im Stich. »Du und Kavalier?«
    Ich kam zu keiner Verteidigung mehr, weil sich aus einer Gruppe Wartender ein wahrer Hüne schob. Ich erkannte in ihm auf den ersten Blick jenen Mann, mit dem wir Kontakt aufnehmen sollten.
    Bill hatte ihn so genau beschrieben, daß es keinen Irrtum gab.
    »Mr. Loughelin?« fragte ich den etwa vierzigjährigen Mann mit den wilden roten Haaren, dem

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