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0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett

0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett

Titel: 0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ernst Fackenheim
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ich, wir werden keinem von beiden etwas anhängen können.«
    Ich erkundigte mich, wie es Milly gehe. Mrs. Hall war nicht zu Hause, aber die Pflegerin berichtete, die Patientin sei immer noch unruhig und phantasiere im Schlaf.
    »Mit ihren Gedanken scheint sie immer im Betrieb der Fruit Cie. zu sein«, sagte sie. »Sie redet von Apfelsinen, die unbedingt verschwinden müssten, und scheint sich einzureden, sie sei am Tode ihres Bruders schuld. Ich habe ihr vorhin eine Beruhigungsspritze gegeben, so dass sie bis heute Nachmittag schlafen wird.«
    Das war keine erfreuliche Nachricht. Die Apfelsinnen waren natürlich ein Hirngespinst, aber an dem Rest konnte etwas sein. Ich wünschte und hoffte zuversichtlich, ich würde Milly am nächsten Morgen sprechen können. Sie war mein letzter Rettungsanker.
    Um elf Uhr kam Phil zurück.
    »Ich habe mit den Arbeitern gesprochen, die einen Mann gesehen und gesprochen haben wollen, den sie der Brandstiftung verdächtigen. Sie behaupten, er sei überaus neugierig gewesen und habe unbedingt wissen wollen, wo die Zigarettenkisten gelagert seien.«
    »Pullmans Listen verzeichnen keine Zigaretten«, widersprach ich.
    »Damit ist nicht gesagt, dass keine vorhanden waren, besonders wenn es Reefers gewesen wären.«
    »Warum sollte aber jemand diese verbrannt haben? Ich wüsste nicht, wer und warum.«
    »Die Konkurrenz natürlich«, erwiderte Phil. »Je weniger von diesem Zeug am Markt ist, umso mehr steigen die Preise.«
    »Wie sah denn der neugierige Zeitgenosse aus? Haben die Männer eine Beschreibung geben können?«
    »Ja. Er war groß, breitschultrig, hatte blondes Haar und war sehr gut angezogen.«
    »Groß und blondhaarig… Es sieht so aus, als ob wir es jetzt dauernd mit großen, gut angezogenen und gut aussehenden Blondköpfen zu tun hätten. Der Eilbote, der mich abknallen wollte, war groß und blond, ebenso wie der Mörder der Carmen Rodriguez. Auch von dem Fahrer des Wagens, der Alfredo Caramelli über den Haufen fuhr wird behauptet, er sei blondhaarig gewesen, und jetzt haben wir noch Nummer vier, den Brandstifter. Sind denn plötzlich alle Gangster in New-York erblondet?«
    »Du hast einen vergessen«, meinte Phil ironisch, »deinen besonderen Freund Brix. Er ist geradezu der Prototyp eines blondhaarigen Nordländers.«
    »Was meinst du, was ich darum gäbe, wenn ich ihm das alles anhängen könnte. Aber leider ist es damit Essig. Mr. Brix hat nur ein Interesse: die Reklame für die Fruit Cie.«
    »Und wenn ich mich nicht sehr irre, Mrs. Hall, in die er unglücklich verliebt zu sein scheint.«
    »Lass ihm sein Vergnügen.«
    »Da wir schon von Brix reden. Ich habe noch einen Nachtrag zu der Auskunft über ihn bekommen. Brix war während des Krieges irgendwo im Pazifik und soll es sogar zum Sergeanten gebracht haben«
    »Na, wenn schon. Das haben andere Gauner auch«, murrte ich.
    Phil lachte.
    »Der arme Brix. Was hat er eigentlich getan, dass du so schlecht auf ihn zu sprechen bist?«
    »Ich mag nun einmal keine Leute, die mich zum Narren halten möchten. Ich hätte gute Lust, den Kerl nochmals zu stellen und zu fragen, warum er mich zum zweiten Mal so schamlos angelogen hat.«
    »Blamiere dich nicht. Es gibt kein Gesetz, auf Grund dessen man einen Lügner belangen kann.«
    »Wenn ich im Repräsentantenhaus wäre, ich würde ein entsprechendes Gesetz Einbringen. Jeder Lügner müsste eingesperrt werden.«
    »Also eine Lex Brix sozusagen«, foppte Phil. Er schwirrte ab. Es gab ja noch einiges andere zu tun.
    Um halb eins ging ich essen. Ich hatte meinen Jaguar stehen lassen. Das Wetter war herrlich, und so bummelte ich langsam und tief in Gedanken versunken den Broadway entlang. Ein buntes Kaleidoskop von Figuren umtanzte mich: Brix, Pullham, Hunt, Carol Hall, Milly, und die Toten: Jane, Pete, der alte-Tullio und Carmen Rodriguez.
    Carmen Rodriguez…
    Was war es nur, was sie von mir wollte? Ich hätte sie fragen mögen, aber sie war tot. Unwillkürlich blieb ich stehen. Es wurde mir heiß und wieder kalt. Nicht umsonst war mir das Bild des toten Mädchens immer wieder erschienen. Ich wusste jetzt auf was es ankam. Es war die Wunde - aber warum?
    Ich sah mich um, und da stand ich vor Madame Tussaud’s Wachsf iguren-Kabinett. Langsam, wie unter einem Zwang ging ich zur Kasse und löste eine Eintrittskarte. Ich ging durch die Säle, vorbei an der Prominenz unserer Welt, an den Märchenfiguren und Berühmtheiten. Ich grüßte Dillinger und bot dem lächelnden Lucky Luciano

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