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0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

Titel: 0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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knappen Dutzend alter Leute. Sie hatten nicht mehr die Wahl zwischen Auswanderung und Arbeitssuche in den größeren Städten des Nordens. Sie mußten bleiben. Hielten sich mühsam mit etwas Landwirtschaft und Tierhaltung über Wasser.
    Freiwillig wäre Nicole nicht allein in diese gottverlassene Gegend gekommen. Sie wollte zu ihrem Chef, Professor Zamorra. Er war wieder einmal einer Spukgeschichte auf die Spur gekommen, die es offenbar in sich hatte.
    Seinem dringenden Brief nach zu urteilen, ging es um eine skandalumwitterte Person des sechzehnten Jahrhunderts, die im Auftrag des Herzogs von Albi einst mehr Menschen vom Leben zum Tode befördert hatte, als die in den Chroniken ebenfalls erwähnte Hebamme des Ortes zum ersten Schrei verhelfen konnte.
    Dabei mußte der Scharfrichter in der Wahl seiner Mittel eine besonders rege Phantasie entwickelt haben. Oder war er nur den Gepflogenheiten seiner Zeit gefolgt?
    Nun wäre Zamorra sicher der letzte gewesen, der aus purer Neugier die Missetaten der Vergangenheit ins Bewußtsein zurückholte. Wenn er etwas unternahm, mußte das Heute und Jetzt im Spiele sein. Die damaligen Taten des Scharfrichters von Mazamet mußten sich noch heute auswirken. Eine schiere Unmöglichkeit, wenn man mit ruhigem Verstand an das Problem heranging. Erfahrungsgemäß aber nicht ausgeschlossen, wenn man in dem Metier arbeitete, in dem sich Professor Zamorra zu Hause fühlte.
    Nicole Duval, einst ungläubig wie der bekannte Thomas, hatte sich inzwischen vom Gegenteil überzeugen lassen. Es gab Phänomene und Ereignisse, die sich einer logischen Erklärung hartnäckig entzogen. Und ihnen jagte der Professor nach. Mit Erfolg. Wie sein Brief bewies, in dem er die Beobachtungen und Zeugenaussagen der letzten Tage knapp zusammenfaßte und seine Sekretärin dringend bat, so schnell wie möglich nachzukommen.
    Nicole hatte noch schnell in der umfangreichen Bibliothek des Loire-Schlosses, in dem Zamorra residierte, nachgeschlagen, was es über den Scharfrichter von Mazamet zu berichten gab. Die Ergebnisse aber waren ausgesprochen spärlich. Es war, als hätten sich die Chronisten verschworen, den Mantel des Vergessens auszubreiten über diese unglückselige Figur der französischen Geschichte.
    Nicole Duval war überhastet aufgebrochen. Sie hatte sich getäuscht, als sie glaubte, noch vor Einbruch der Dunkelheit ihr Ziel zu erreichen. So quälte sie ihren Wagen ziemlich mutlos über die Piste.
    Nachtfahren, noch dazu in einem solchen Gelände, waren nicht gerade ihre Stärke.
    Angestrengt hielt Nicole Ausschau nach einem rettenden Licht, das die Nähe einer menschlichen Behausung ankündigte. Auch als das Unwetter weiterzog und der Himmel aufklarte, konnte sie nichts entdecken. Das Ende ihrer ungewöhnlichen Reise schien noch nicht gekommen.
    Der hohle Wind, der zwischen Einschnitten und über Grate pfiff, in Felskaminen orgelte und durch Laub raschelte, tat ein übriges, um Nicole nervös zu machen. Zumal sich die Nadel des Treibstoffanzeigers bereits der roten Markierung näherte.
    Nicole verfluchte den Einfall, von der Route Nationale abzubiegen und anhand der Karte querfeldein das Ziel Mazamet anzusteuern. Sie verlor zusehends die Geduld.
    Sturmzerzauste Wacholderbüsche verneigten sich höhnisch und entwickelten ein gespenstisches Eigenleben. Hell und gespenstisch leuchteten die Stämme der Platanen im fahlen Scheinwerferlicht, das die Dunkelheit in Streifen schnitt.
    Plötzlich bemerkte Nicole über einer nahen Felskuppe ein Leuchten, ein unerklärliches Phänomen, das nicht in die bekannten Naturerscheinungen ihrer eigenwilligen südfranzösischen Heimat einzureihen war. Es ähnelte einem wimpernlosen Auge in allen Farben des Spektrums. Mit einem grünlich phosphoreszierenden Innenhof anstelle der Pupille.
    Es ging kein Leben aus von dieser Erscheinung, die still und kalt über den Baumwipfeln schwebte, und doch fühlte sich Nicole Duval mit magischer Kraft angezogen.
    Nicole brauchte tatsächlich ihren ganzen gesunden Menschenverstand, um nicht dem stummen Befehl des magischen Lichtes zu folgen, den Wagen anzuhalten und in die Nacht hinauszulaufen.
    Das Mädchen ertappte sich dabei, mehr auf die rätselhafte Lichterscheinung zu achten als auf den Weg. Die Folgen bekam die einsame Fahrerin auf der Stelle zu spüren.
    Knirschend bohrte sich die Schnauze des Citroën in die weiche Flanke einer Böschung.
    Hastig legte Zamorras Sekretärin den Rückwärtsgang ein, gab reichlich Gas und erreichte

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