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0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab

Titel: 0105 - Rückkehr aus dem Geistergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Hartsch
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nicht mehr, als daß der Motor aufheulte und die Räder durchdrehten. Alle weiteren Versuche, doch noch freizukommen, scheiterten ebenfalls kläglich.
    Das junge Mädchen mit dem grünen Hosenanzug, der Seidenbluse und den hochhackigen Schuhen mußte zugeben, daß der Wagen festsaß. Sie steckte in der Klemme.
    Nicole zwang sich zur Ruhe, gab weitere Versuche auf und rauchte eine Zigarette. Mühsam erinnerte sie sich daran, daß sie ein Kind des zwanzigsten Jahrhunderts war, auf Fakten und nüchterne Sachlichkeit gedrillt, jung, dynamisch und selbstbewußt. Nicht eben unsportlich. Folglich gut zu Fuß.
    Dabei aber vermochte sie keine Sekunde den Blick loszureißen von dem schillernden Leuchtkreis über der endlosen Weite der dunkelblauen Berge. Sie geriet immer mehr in den Bann dieses Farbspiels. Denn das Zentrum des Leuchtkreises begann zu kreisen und zu wirbeln, eine Scheibe, die das Mädchen hypnotisierte, jedes eigene Denken unterdrückte und Nicole Duval gnadenlos in einen rätselhaften Bann schlug. Eine Faszination und Beeinflussung, die mit geltenden Naturgesetzen oder menschlicher Logik nicht mehr im Einklang stand.
    Die Sekretärin zerdrückte ihre Zigarette halbgeraucht im Aschenbecher, verbrannte sich dabei die Fingerkuppe und merkte es nicht einmal.
    Nicoles Schädel war wie ausgebrannt, ein nutzloser Hohlraum, in das sich unbarmherzig dieses magische Auge fraß, es ausfüllte, die Macht übernahm und Befehle an die Glieder des Opfers signalisierte, die ohne jede bewußte Reflexion in die Tat umgesetzt wurden.
    Nicole Duval schwankte in den Polstern ihres Wagens, ihr Blick verklärte sich. Sie stieg ohne Rücksicht auf das scheußliche Wetter aus. Sie dachte weder an ihre Habseligkeiten, die zurückblieben noch an den Wagen überhaupt. Sie setzte sich wie ein Automat in Bewegung. Ohne den geringsten Versuch, sich zu orientieren.
    Nasses Gras peitschte die Beine der einsamen Wanderin. Regen klatschte in ihr Gesicht. Sie merkte nicht einmal, als der Boden unter ihren Füßen zu schwanken begann. Zitterte bei jedem Schritt, unterbrochen von immer mehr Moorlöchern, die angefüllt waren mit schwarzem stinkigem Wasser.
    Weidenbüsche säumten diese Tümpel, die nicht einmal den Schafen als Tränke dienen konnten. Nebelschwaden hingen in dieser Senke wie Leichentücher. Leer und wie tot lag die gespenstische Landschaft unter einem langsam aufklarenden Himmel. Und als sich der Mond hinter Wolkenbänken hervorstahl, wurde es nicht angenehmer.
    Mit schlafwandlerischer Sicherheit vermied Nicole Duval jede Gefahr und jeden Fehltritt. Sie folgte dem unbekannten Weg ins Ungewisse, starrte unverwandt und verzückt auf die Lichtorgel. Ihr ungewöhnlicher Führer und Begleiter stand siegriech, geheimnisvoll und drohend über den schwarzen Bergen. Ließ sie nicht mehr aus dem Bann.
    Irgendwo schrie ein Nachtvogel. Sein klagender Schrei drang an das Ohr der Französin, ohne von ihrem Hirn registriert zu werden. Der Ruf des Totenvogels begleitete sie wie Friedhofsmusik, hallend, schaurig, warnend, ohne daß Nicole reagierte.
    Die Einsame schritt weiter hinein in die karge Hochebene. Ihre Arme baumelten herab. Das Gesicht war verklärt vom Widerschein des rätselhaften Lichtes.
    Dann kam der Augenblick, wo das Phänomen schrumpfte, sich zusammenschraubte. Der kreisende violette Ring konzentrierte sich auf einen Punkt und kam auf den verwitterten Mauern einer Bauernkate zur Ruhe. Stand über dem niedrigen Eingang wie eine stumme Aufforderung.
    Moos wucherte auf tropfnassem Grasdach. Qualm zerfaserte weiß über einem baufälligen Kamin. Ein Hund winselte leise, brach urplötzlich ab, endet mit einem Röcheln, das durch Mark und Bein ging.
    Nicole Duval aber spürte ein unerklärliches Glücksgefühl. Als sei sie angekommen. Habe endlich ein Ziel erreicht, von dem sie ein Leben lang geträumt hatte.
    Als sei nach endloser Wanderschaft der Augenblick der Ruhe und Erlösung gekommen.
    Mechanisch streckte das Mädchen die Hand aus. Wie selbstverständlich betätigte Nicole den primitiven Sperrhebel der Fronttür, die knarrend aufschwang.
    Nicole mußte sich bücken, um einzutreten.
    Ihr Blick gewöhnte sich schnell an das Halbdunkel, das in dem Raum herrschte. Denn das flackernde Herdfeuer reichte nicht weit.
    In einem Kessel verdampfte Wasser. Der Schürhaken in der Torfglut leuchtete rot. Der Hund versteckte den Kopf vor der nächtlichen Besucherin, als könne er den Blick des Opfers nicht ertragen.
    Kein Mensch ließ sich

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