0106 - Der Götze von Passa
vorbei bückte er sich vorsichtig an vorne, bis er Loftys Hand spürte, die ihn sachte am Kragen festhielt. Er beobachtete die halbe Ratte und sah, daß das, was sie in Bewegung hielt, eine Schar von Käfern war. Sie schienen schwarz zu sein und waren etwa so groß wie ein halber Daumen. Sie bewegten die halbe Ratte auch nicht wirklich, sondern sie fraßen sie auf. Sie verzehrten den Kadaver mit solcher Geschwindigkeit, daß es so aussah, als kröche die Ratte irgendwo hinein, so daß der sichtbare Teil ihres Körpers immer kleiner wurde. Ron verstand jetzt, wovor Lofty sich fürchtete. Wenn er durch Rons Aufprall auch nur einen Schritt weiter nach vorne hätte tun müssen, dann hätte er mit dem Fuß mitten in der Schar der Käfer gestanden. Und bei der Geschwindigkeit, mit der sie die Ratte fraßen, war leicht vorauszusetzen, daß es nur ein paar Sekunden gedauert hätte, bis sie durch das Plastikleder von Loftys Stiefel hindurch an seiner Haut gewesen wären. Anscheinend waren sie auch lärmempfindlich. Als Ron seinen Fuß ein wenig zur Seite stellte, um bequemer zu sehen, schienen sie das Rascheln zu hören und verharrten sofort reglos. Zwei oder drei von ihnen wandten sich in die Richtung, aus der sie das Geräusch gehört hatten. Aber als von dort nichts mehr kam, drehten sie sich wieder um, um in ihrem gräßlichen Schmaus fortzufahren. Ron fühlte Ekel in sich aufsteigen. Vorsichtig zog er den Psychostrahler aus dem Gürtel und richtete ihn auf die Schar der Aaskäfer. In dem Augenblick, in dem er abdrückte, erstarrten ihre Bewegungen. Ein paar von ihnen riß es in die Höhe. Sie fielen auf den Rücken und blieben reglos liegen. Eine Energiedosis, die ein intelligentes Wesen dazu bewogen hätte, seinen Willen einem fremden unterzuordnen, hatte ausgereicht, um die kleinen Käfergehirne zu vernichten. „Das Schlimmste ist nicht etwa”, erklärte Lofty leise, „daß es weh tut, wenn sie einen erwischen. Sie können natürlich nicht mit ihren Zähnen, oder was sie da haben, so schnell fressen, wie Sie es gesehen haben. Sie verspritzen einen Saft, der die Substanz auflöst, so daß sie sie nur noch in sich hineinzusaugen brauchen.
Der Saft ist höllisch giftig, wenn er in die Blutbahn gerät.” Einen Augenblick lang fühlte sich Ron erbärmlich hilflos. Er stellte sich vor, wie er, wenn er Lofty nicht dabei gehabt hätte, einfach über die Käfer hinweggestampft wäre. Ron schüttelte sich, als Lofty den Marsch wieder aufnahm, und nahm sich vor, vorsichtiger zu sein. Das Gelände stieg plötzlich steil an. Aus einem nicht ersichtlichen Grunde standen die Glasbäume auf einmal weniger dicht als zuvor, und die beiden Männer kamen trotz der Steilheit rascher voran als bisher. Dann blieb Lofty plötzlich stehen. Ron schaute auf und sah, daß sie auf einer kleinen, kreisrunden Lichtung standen. Sofort erinnerte er sich daran, daß sie vom Gleiter aus, als sie das Hügelland überflogen, nirgendwo eine Lichtung gesehen hatten. Er sah in die Höhe und stellte fest, daß die Glasbäume sich von allen Seiten her der Lichtung zuneigten und sich über ihrer Mitte zu einer Walddecke zusammenschlossen, die ebenso dicht war wie anderswo. Ein paar der Stämme, die so die Lichtung verbargen, standen linkerhand ein paar Meter erhöht auf einem kleinen Felsvorsprung. Ron schaute sich den Felsvorsprung etwas genauer an und entdeckte, daß er in der Mitte ein finsteres Loch von zwei Metern Breite und fast ebensoviel Höhe hatte. Sie standen also vor dem Eingang einer Höhle. Einer der Höhlen, die sie suchten. Ron wollte an Lofty vorbei, um sich den Eingang aus der Nähe anzusehen. Aber Lofty streckte den linken Arm aus und ließ ihn nicht vorbei. „Langsam!” flüsterte er warnend. „Sie wissen nie, was sich darin versteckt.” Er bückte sich und untersuchte den Boden sorgfältig, bevor er ein paar kleine Steine aufnahm und sie in das dunkle Höhlenloch hineinwarf. Ron hörte, wie die Steine drinnen gegen die Wände schlugen. Das war das einzige Geräusch. Sonst hörten sie nichts.
„So”, sagte Lofty befriedigt, „und jetzt leuchten Sie noch von hier aus, wo Sie jetzt stehen, hinein. Wenn dann immer noch nichts herausgekrochen, geschossen, geflogen oder gekrabbelt kommt, dann sind wir ziemlich sicher, daß wirklich nichts in der Höhle ist.” Ron befolgte seine Anweisung. Er blendete die Lampe auf und ließ ihren grellen Lichtstrahl in den Höhleneingang hineinfallen. Er sah unebene, gezackte Wände, die im
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