Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

0106 - Der Götze von Passa

Titel: 0106 - Der Götze von Passa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
das er mit dem Evergreen geführt hatte. An der Stelle, an der der Evergreen sagte: „Dort im Wald. Jenseits der Berge von ... Sssst...” hielt Ron das Band an. Er ließ den Selektor den Zischlaut aus der Aufzeichnung nehmen und sprach statt dessen das Wort „Midland” in eines der beiden Mikrophone. Danach ließ er das Band von neuem ablaufen, und diesmal sagte die mechanische Stimme, ohne zu stocken: „Dort im Wald. Jenseits der Berge von Midland ...” Schließlich trug Larry Randall das neue Wort auf der Karte ein, wo bisher nur der Verlauf des Gebirges festgehalten war, und nun war die Geographie von Passa um einen neuen Namen reicher. Niemand, der sich mit einem Evergreen über die Berge von Midland unterhielt, würde jemals mehr darüber nachdenken müssen, wo sie lagen. Denn die Transecs, die es auf Passa gab, wurden jährlich einmal zum Austausch aller neuen Ausdrücke zusammengekoppelt. Und dafür, daß der Name auf den Karten eingetragen wurde, würde Ron Landry sorgen. Der Name „Midland” war nicht willkürlich gewählt. Nach der Karte zu urteilen, lag das Gebirge ziemlich genau im Herzen des großen Äquatorialkontinents. Ron hielt sich stets dicht über den Hängen und Schrunden der Berge. Nur so hatten sie eine Chance, weiter nach Osten vorzudringen, ohne von den Springern bemerkt zu werden. Der Glaswald stieg bis zu erstaunlichen Höhen. Noch in fünftausend Metern gab es dichte Wälder. Darüber allerdings gab es nicht etwa eine Übergangszone, die über anspruchslosere Pflanzenformen bis zur felsigen Einöde des Hochgebirges führte, sondern der nackte Fels begann direkt am Rand des Waldes.
    Ansonsten hatte sich das Bild nicht geändert. Es war immer noch die gleiche gläserne Decke, die sie unter sich sahen. An diesem Tag drang der Gleiter bis ins östliche Vorbergland vor.
    Das Auffinden eines Lagerplatzes war diesmal weitaus weniger einfach als am vorhergehenden Tag. Der grelle Lichtschein der arbeitenden Thermostrahler, die den Grund von allem sichthindernden Wuchs befreiten, mußte nach Möglichkeit vermieden werden. Jegliches Geräusch würde die Evergreens aufmerksam machen, denn Lofty wußte zu berichten, daß sie ein überaus feines Gehör besaßen und zum Beispiel den Laut eines ruhig gesprochenen Wortes noch in zweihundert Metern Entfernung wahrnehmen konnten. Ron suchte daher so weit, bis er mitten im Glasdickicht des Waldes eine Stelle fand, die so aussah, als sei sie weniger dicht bewachsen als die ändern. Behutsam senkte er den Gleiter hinab, die elastischen Glasbaumstämme dabei langsam nach allen Seiten Biegend. Schließlich waren sie weit genug unterhalb des Walddaches, halb ins Dämmerlicht des Grundes eingetaucht, um die Thermostrahler spielen zu lassen.
    Sie gebrauchten sie ruckweise und legten lange Pausen ein. Sie nahmen sich fast eine Stunde Zeit, um den Platz soweit von Bewuchs zu befreien, daß sie in Ruhe ihr Lager dort aufschlagen konnten. An diesem Abend empfanden sie wenig von der Romantik der Wildnis, die sie noch am vergangenen Tag auf der Flußhalbinsel gefangengehalten hatte. Sie waren mitten im Zielgebiet. Ringsum lauerte der Feind. Man konnte nicht wissen, wann er zuschlagen würde.
    Als die Stunde der Dämmerung hereinbrach, dachte der Evergreen immer noch nach. Jetzt allerdings waren seine Gedanken fast nur noch damit beschäftigt, ein trübes, finsteres Bild dessen zu malen, was ihn erwartete, wenn sein mächtiger Körper, von Hunger und Durst geschwächt und von der Hitze ausgemergelt, endgültig zusammenbrechen und die sich lösende Haut die Atmung der Poren unterbinden würde. Er dachte kaum noch daran, daß er etwas Wichtiges vergessen hatte und daß er gerettet wäre, wenn es ihm wieder einfiele. Er hatte die Hoffnung aufgegeben. In dieser Verfassung fanden ihn, kurz vor Aufgang der roten Sonne, drei Männer. Sie kamen mit einem Fahrzeug, das Ron Landrys Gleiter im Prinzip glich, über den Wald daher. Sie kamen nicht von ungefähr und keineswegs zufällig an diese Stelle. Sie wußten, daß einer der Evergreen-Stämme in der Tiefe des Waldes einen seiner Leute vermißte. Sie fanden den Vermißten hinter Andy Levers Haus. Die Männer waren hochgewachsen und breitschultrig. Wenn sie sprachen, taten sie es mit einer lauten, dröhnenden Stimme und so unbefangen, als könne es keinen Zweifel geben, daß ihnen allein die ganze Welt gehöre. Sie lachten viel. Sie lachten selbst dann schallend, als sie den armen Evergreen in seiner miserablen Lage fanden.

Weitere Kostenlose Bücher