0107 - Die Bestie von Manhattan
Leute beschreiben? Oder kannten Sie gar einen der Gangster? Haben Sie vielleicht den einen oder den anderen schon irgendwo mal gesehen?«
»Nein. Ich hatte noch keinen der Gangster gesehen. Zuerst dachte ich, dass mir der eine bekannt wäre. Ich glaubte, in ihm einen jungen Mann wiederzuerkennen, der Linda ein paar Mal abgeholt hatte. Aber das war wohl eine Verwechslung, weil der Verehrer von Linda auch eine rote Lederjacke trug. Solche Jacken sind ja heute sehr beliebt.«
Ich stutzte. Dann kam mir eine Idee. Ich ging zurück ins Vorzimmer und holte mir aus der Brieftasche der Toten das Foto aus dem Nachtlokal.
Ich zeigte es dem Mädchen.
»Kennen Sie diesen Mann?«
Sie warf einen kurzen Blick auf das Bild, stutzte, sah genauer hin und fing auf einmal an zu zittern.
»Das ist er!«, schrie sie. »Das ist er!«
»Wer?«
»Der Anführer von der Bande!«
»Danke.«
Ich winkte Phil zu.
Er kam mit mir hinaus ins Vorzimmer, wo sich der Überfall zugetragen hatte.
»Phil«, sagte ich leise, »ich kann jetzt hier nicht weg. Fahr du zum Districtgebäude. Erkundige dich, welcher Untersuchungsrichter heute zuständig ist. Dann besorge dir einen Haft- und einen Haussuchungsbefehl von ihm.«
»Auf welchen Namen?«
»Sag dem Richter, wir wüssten den Namen noch nicht genau. Hier auf diesem Zettel stehen drei Leute, die allesamt im Notizbuch der Toten standen. Alle drei heißen mit Vornamen George. Einer von ihnen könnte der Kerl hier auf dem Bild sein. Stell das fest. Bekommst du den Halunken hier auf diesem Foto, verhafte ihn sofort.. Nimm dir Kollegen mit. Er wird sich wahrscheinlich wehren. Anschließend sofortige Durchsuchung bei ihm!«
Phil rieb sich die Hände.
»Das ist ganz nach meinem Geschmack«, erklärte er.
***
Sie kletterten leise über die Feuerleiter zurück in das Zimmer, das sich George Andrew unter dem Namen John Robert Miller gemietet hatte. Mart wollte, kaum dass er im Zimmer war, etwas sagen, aber George legte ihm rasch die Hand auf den Mund. Er winkte seinen Komplizen, dass sie ihm folgen sollten.
Er führte sie ins Badezimmer. Von hier aus gab es keine Tür hinaus in den Flur, und erst, nachdem George sorgfältig die Badezimmertür geschlossen hatte, sprach er.
»Hier kann uns niemand belauschen«, sagte er. »Setzt euch meinetwegen auf die Wanne.«
Sie suchten sich Plätze, so gut es eben ging.
»Ich möchte sagen, dass die Sache gut geklappt hat«, meinte George. »Oder ist jemand anderer Meinung?«
Sie schüttelten die Köpfe.
»Im Gegenteil«, sagte Mart Stopkins. »Es ging besser, als ich gedacht hatte.«
»Nur Ben war ein bisschen nervös«, sagte George ohne Vorwurf. »Das kann passieren. Er hat sich trotzdem die redlichste Mühe gegeben und nichts Entscheidendes verbockt. Darauf kommt es an.«
»Was meinst du, Chef, was wir von denen geholt haben?«, fragte Lorry Zeer lüstern. So dumm er sonst war, den Wert des Geldes kannte er.
George zuckte die Achseln.
»Ich habe keine Ahnung. Es werden wohl so an die sechzigtausend sein, wie unser Mittelsmann schon sagte.«
Ben Faster räusperte sich. Seine Stimme klang heiser.
»War diese Frau unser Mittelsmann?«, fragte er stockend.
»Welche Frau?«
»Die du erschossen hast!«
George Andrew zögerte einen Augenblick, dann nickte er.
»Ja. Deswegen musste ich sie ja erschießen.«
»Mir gefällt das nicht«, sagte Ben Faster. »Es war nichts davon gesagt worden, dass wir Leute umbringen würden.«
»Ich bin der Chef«, knurrte Andrew gereizt. »Und was ich für nötig halte, das wird getan. Oder soll ich euch vielleicht vorher um Erlaubnis fragen?«
War es Zufall, dass er mit seiner Pistole spielte, während die anderen ihre Waffen eingesteckt hatten? Ben Faster merkte genau, in welche Richtung die Waffe zeigte. Trotzdem schwieg er nicht.
»Natürlich bist du der Chef«, stimmte er zu. »Dafür kassierst du ja auch den Löwenanteil für dich. Aber wir anderen gehören auch zum Verein. Und wenn sie erst einmal einen von uns haben, dann haben sie auch die anderen. Das ist sonnenklar. Also müssen wir alle ein Interesse daran haben, welche Verbrechen uns gegebenenfalls zur Last gelegt werden könnten. Es hätte vorher darüber gesprochen werden müssen, dass jemand erschossen werden soll.«
George Andrew stand auf. Er stellte sich dicht vor Ben Faster hin und wog seine Pistole in der Hand.
»Damit du klar siehst«, sagte er langsam. »Ich verbitte mir jede Kritik an dem, was ich tue. Ich bin der Boss, und ich bin keinem
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