0109 - Verlies der Angst
Schwarzer Magie spielte und sie vorzüglich einzusetzen wußte.
Dieser Sadin vielleicht?
Ein Diener des Gottes Thor?
Aber gab es Thor überhaupt? War er nicht vielleicht nur eine Phantasiegestalt?
Es war müßig, sich darüber Gedanken zu machen, ich mußte zusehen, daß ich das Geheimnis dieses Hügelgrabes lüftete.
Vor mir lagen jetzt nur noch die Kleidungsstücke des Toten. Alles andere war zu Staub zerfallen. Ein makabres Bild.
Ich schaute mich um und schwenkte dabei auch den kleinen Lampenstrahl. Er traf nur Gestein. Niemand hatte mich gesehen.
Ich war beruhigt.
Vorsichtig ging ich weiter. Wie tief war dieses Grab denn noch?
Meiner Schätzung nach mußte ich bereits über die Hälfte der Strecke zurückgelegt haben.
Ich war beruhigt, als der Lampenstrahl endlich ein Ziel gefunden hatte und auf eine Mauer sein spärliches Licht warf. Das waren nur noch wenige Schritte.
Diese Hoffnung beflügelte mich, und ich machte einen großen Fehler. Ich ging zu schnell, übersah dabei das Loch am Boden und verlor plötzlich den Halt.
Ich wollte noch nachgreifen, doch meine Hände faßten ins Leere, der Fall riß mich nach vorn – und in die Tiefe.
Instinktiv krümmte ich mich zusammen, schlug hart auf, blieb jedoch bei Bewußtsein.
Dann krachte etwas gegen meinen Schädel.
Zuerst sprühten Sterne auf, dann kam die Dunkelheit. Ich fiel aufs Gesicht.
Schluß – Blackout für John Sinclair, das war mein letzter Gedanke vor der Bewußtlosigkeit…
***
Suko schaute auf die Uhr.
Zehn Minuten waren vergangen, zwei Drittel der vorgesehenen Zeit. Und von John war immer noch nichts zu sehen.
Obwohl er noch fünf Minuten Zeit hatte, machte er sich doch Sorgen. Mit dieser Lichtung und vor allen Dingen mit den Gräbern stimmte einiges nicht.
Ihm war der Platz nicht geheuer.
Der Chinese war etwas zurückgetreten, so daß er alle vier Hügelgräber im Auge behalten konnte. Dahinter standen die Bäume des Waldes wie eine gefährliche Wand. Suko hatte das Gefühl, als wären sie näher zusammengerückt, und auch die Lichtverhältnisse schienen ihm nicht mehr so günstig zu sein wie zuvor.
Es war dunkler geworden.
Dämmerig…
Aber wieso? Nach wie vor stand die helle Sonne am Himmel, doch ihre Strahlen schienen die Lichtung im Wald zu meiden.
Vielleicht war es auch nur Einbildung, aber Suko glaubte nicht so recht daran. Er kannte sich inzwischen aus. Oft kündete sich das Böse durch Veränderungen in der Natur an.
Würde es kommen?
Den Chinesen hielt nichts mehr auf seinem Platz. Zwei Gräber waren geöffnet worden – für wen und wozu? Hatten diese Gräber vielleicht ihre Toten entlassen, war der Fluch unter Umständen schon wirksam geworden?
Diese Gedanken schwirrten durch Sukos Kopf, und er war nur froh, die Kinder außerhalb der Gefahrenzone zu wissen.
Langsam schritt der Chinese über die Lichtung. Unter seinen Füßen knickten Grashalme. Laub vom letzten Jahr raschelte, aber keine Tierstimmen waren zu hören.
Die Ruhe vor dem Sturm…
Noch zwei Minuten.
Suko blieb stehen und schaute wieder auf den Eingang des Hügelgrabes, durch den ich verschwunden war.
Er sah nichts.
Dafür jedoch hörte er etwas.
Ein Geräusch, das aus dem Grab neben ihm erklang. Es hörte sich an wie Knistern und Kratzen, dann aber ein leises, irres Kichern.
Der Chinese blieb stocksteif stehen.
Was hatte das zu bedeuten?
Er befand sich jetzt vor dem Hügelgrab, an dem nach den Erzählungen der Kinder auch die Lehrerin gestanden hatte, bevor sie verschwunden war.
Niemand wollte glauben, daß man sie in das Grab gezerrt hatte, doch Suko wußte es.
Plötzlich erschien eine Hand.
Sie tauchte aus der hinter dem Spalt liegenden Dunkelheit auf.
Die Finger waren gekrümmt und bildeten eine gierige Klaue.
Suko ging zurück.
Er zog seine Beretta und lockerte die Dämonenpeitsche im Gürtel.
Der Hand folgte ein Arm, eine Schulter, ein Gesicht.
Nein, kein Gesicht, sondern eine Grimasse. Daß diese Gestalt eine Frau war, konnte Suko nur an der Kleidung erkennen und an den Haaren, die grau bis auf die hageren Schultern herabhingen.
Das mußte die Lehrerin sein.
Suko hob die Waffe.
Er zögerte jedoch zu schießen, da die Frau ihn nicht direkt angriff, sondern stehenblieb.
Sie öffnete den Mund.
Suko stellte sich die Frage, ob er hier nun einen Dämon vor sich hatte oder nicht. Zwar sah die Haut alt und runzlig aus, jedoch nicht so wie bei dem Wesen, das aus dem Kofferraum gestiegen war. Nein, diese Person war noch ein
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