0110 - Die Geistergrotte
mit dem Wagen würde er auf Grund der Geländegegebenheiten eine halbe Stunde brauchen, um die Waldarbeiterhütte selbst erreichen zu können. Jede Minute war jetzt kostbar.
Er nahm den Hörer.
»Za… äh… Fleming hier«, meldete er sich. »Sie wissen Bescheid über die Fahndung nach Professor Zamorra?«
Der Gendarm am anderen Ende der Leitung wußte Bescheid. Er berichtete, daß die bisherige Suche nach Professor Zamorra ergebnislos verlaufen sei. Zamorra hatte allerdings den Eindruck, daß die Gendarmen die Suche bisher auch nicht sehr intensiv betrieben hatten.
Er hielt die Sprechmuschel zu.
»Raffael, was haben Sie gesagt, warum nach mir gefahndet werden soll?« erkundigte er sich bei dem Butler.
»Geistige Umnachtung«, erwiderte der alte Mann. »Gemeingefährlichkeit.«
Zamorra nickte, nahm den Dialog mit dem Gendarmen wieder auf. Er teilte dem Mann mit, wo der Gesuchte unter Umständen zu finden war. Immer noch zeigte sich der Polizist nicht sehr engagiert. Zamorra wunderte das nicht einmal. Der Gendarm kannte ihn und glaubte wohl nicht so recht daran, daß wirklich eine Gemeingefahr bestand. Erst als Zamorra von einem wahrscheinlichen Mord redete, änderte sich die Zurückhaltung des Mannes. Er sagte zu, unverzüglich seine Kollegen in St. Roux zu alarmieren.
»Ihre Kollegen sollen sehr vorsichtig sein«, riet ihm der Professor noch. »Sie sollen ihn nach Möglichkeit nur stellen, aber nicht festnehmen. Ich komme so schnell wie möglich hin, denn ich bin wahrscheinlich der einzige Mensch, der richtig mit ihm umgehen kann. Haben Sie das, Monsieur Hugin?«
»Na, hören Sie mal«, erwiderte der Gendarm und beendete das Gespräch.
***
Minuten später saßen Nicole und Bill Fleming alias Professor Zamorra in ihrer Citroën-Limousine und fuhren nach St. Roux. Nicole steuerte den Wagen, denn Zamorra fühlte sich körperlich alles andere als wohl. Angesichts der schweren Gehirnerschütterung, die er von Bill Fleming »geerbt« hatte, war das nicht weiter verwunderlich.
Nicole fuhr schnell und gekonnt. Das letzte Stück bis zur Hütte ging es allerdings nur noch langsam weiter. Der Citroën rumpelte einen Weg entlang, der allenfalls für einen Trecker, nicht aber für eine schwere Limousine geschaffen war.
Schließlich kamen sie nicht mehr weiter. Ein Flic tauchte im Lichtkegel der Autoscheinwerfer auf und hob haltgebietend die Hand. Nicole ließ die Seitenscheibe hinuntersurren, als sich der Gendarm neben der Fahrertür aufbaute.
»Sind Sie dieser Monsieur Fle… Oh, Mademoiselle Duval.«
Der Professor und seine Lebensgefährtin gehörten zur Prominenz der Region. Praktisch kannte sie jeder.
Zamorra war bereits ausgestiegen. Einen Augenblick überlegte er, ob er der Polizei sagen sollte, daß er in Wirklichkeit nicht Bill Fleming aus New York, sondern Professor Zamorra war. Sofort aber ließ er den Gedanken wieder fallen. Er würde die Gendarmen nur in heillose Verwirrung stürzen und auf totalen Unglauben stoßen.
»Ich bin Bill Fleming«, stellte er sich dem Uniformierten vor. »Ist Professor Zamorra…«
»Ja«, antwortete der Flic, »der Professor ist in der Hütte. Und er weigert sich, herauszukommen. Unser Kollege Hugin sagte uns, daß Vorsicht geboten ist. Deshalb haben wir die Hütte nur umstellt und auf Sie gewartet.«
»Bon«, nickte Zamorra.
Gemeinsam mit dem Gendarmen und Nicole kehrte er dem Citroën den Rücken zu und ging den Waldweg entlang. Nicht weit. Nach wenigen Schritten schon konnte er die Notbehausung der Waldarbeiter sehen. Die Beamten hatten mehrere Scheinwerfer aufgebaut, die die Hütte in hellen Lichtschein tauchten.
Zamorra verlor keine Zeit. Jede Minute war unendlich kostbar. Es ging um das Leben Bills.
»Bleiben Sie zurück«, sagte er zu den Gendarmen, die sich inzwischen um ihn geschart hatten. »Ich werde mit Professor Zamorra reden.«
Mit langsamen Schritten ging er auf die Hütte zu, blieb etwa zehn Meter von der Tür entfernt stehen.
»Komm raus, Zygor«, rief er in myragonischer Sprache, »dein Spiel ist verloren.«
Er bekam keine Antwort.
»Zygor«, rief der Professor erneut. »Ich bin nicht Bill Fleming. Ich bin Zamorra, gerade aus Myragon zurückgekehrt. Und ich werde dich jetzt holen!«
Entschlossen setzte er sich wieder in Bewegung, ging auf die Tür zu.
Dann stockte sein Schritt. Die Luft vor ihm schien plötzlich zu gefrieren. Frostwellen strömten auf ihn ein. Der Schweiß auf seiner Stirn wurde zu dünnen Eisplättchen, und sein Atem
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