0111 - Lockruf aus dem Jenseits
sich gegen den drohenden Untergang auf, mobilisierte seine letzten parapsychischen Reserven.
Und da geschah es…
***
»Neeein!« gellte der entsetzte Schrei des Gnomen, der die Vorgänge beobachtete aus einer sicheren Sphäre heraus, die ihm Schutz und Unterkunft gewährte, in die nicht einmal Ghoon einzudringen vermochte. Pirrx glaubte, seinen Augen nicht trauen zu dürfen. Was dort in der Ebene geschah, angesichts des drohenden Todes durch den Säureregen, verschlug ihm nahezu den Atem, ließ panische Angst auch in ihm emporsteigen.
Sein teuflischer Verstand weigerte sich, es zu akzeptieren.
Was geschah, war unmöglich - unmöglich in dieser künstlich geschaffenen Welt, deren Struktur derartige Experimente gar nicht zuließ, ihnen nicht gewachsen sein konnte. Und doch geschah es, ließ alles vor den Augen Pirrx' verschwimmen, verwischen zu undeutlichen Schlieren…
»Nein«, hauchte er entsetzt. »Das kann nicht sein, darf nicht, bei Grhohmhyrxxa!«
Und doch war es so. Abermals war Zamorra eine Spur klüger und schneller gewesen, hatte das Äußerste gewagt.
Pirrx begriff schlagartig, daß das freie Agieren vorüber war, daß er sich ab jetzt äußerst vorsichtig bewegen mußte. Und auch Ghoon mußte gewarnt werden. Der niedere, spieltriebbeherrschte Verstand des noch relativ jungen Dämons vermochte die Gefahr gar nicht in ihrem ganzen Ausmaß abzuschätzen, erfaßte nicht die paraphysikalischen Zusammenhänge dieser Welt in völliger Konsequenz. Jene Grundkonstanten, die jetzt durch Zamorra ins Wanken gebracht worden waren, bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und die jeden Moment völlig zerbrechen mochten. Das würde nicht nur das Ende der dämonischen Welt bedeuten, sondern auch das der beiden Dämonen, die förmlich in die Strukturen verflochten waren. Daß die Menschen dabei mit vergehen würden, war für Pirrx kein Trost.
Eisige Furcht kroch in ihm hoch, griff wie eine kalte Knochenhand nach jenem Organ, das die Funktion eines Herzens ausübte. Der mächtige Pirrx erlitt in diesen Minuten eine entsetzliche Niederlage, so schlimm, wie er sie sich nie auszumalen vermocht hätte. Denn hier wurden ihm von einem Menschen die Grenzen seiner Macht klar aufgezeichnet.
Ein wimmernder, angstgepeitschter Laut ertönte. Es währte fast eine Minute, bis Pirrx erfaßte, daß er es selbst war, der dieses Wimmern ausstieß.
Doch dann ging ein Ruck durch seinen kleinen Körper. Er mußte handeln, sofort. Mußte Ghoon warnen, bevor dieser durch eine unbedachte magische Handlung das ohnehin labil gewordene Gleichgewicht der Dämonenwelt endgültig zum Zusammenbruch brachte…
***
Zamorra aktivierte all seine Reserven. Nahezu in letzter Sekunde war ihm der rettende Gedanke gekommen, der zumindest einen Aufschub zu erwirken vermochte und, je nachdem, wie sie die Zeit nutzten, vielleicht sogar den Sieg über den Dämon…
Schon oftmals hatte er die Kräfte und Fähigkeiten des Amulettes benutzt, um in die Vergangenheit zu gehen und dort das Böse zu bekämpfen, es im Keim zu ersticken. Oft genug hatte es sich als notwendig erwiesen, wenn das Böse in der Gegenwart zu stark, zu mächtig geworden war, es an der Wurzel seines Entstehens zu packen und auszulöschen. So hatte Zamorra längst eine gewisse Routine gewonnen, was jene Reisen in die Vergangenheit anging. Doch eines war ihm bislang trotz aller Anstrengungen niemals gelungen: den Weg in die Zukunft zu finden. Vielleicht war das gut so, es konnte schaden, über das Kommende nur allzugut Bescheid zu wissen. Vielleicht lag es auch daran, daß die Zukunft unbestimmt war, veränderlich, zu sehr von den verschiedenen Faktoren der Gegenwart abhängig, als daß ein Aufenthalt oder auch nur ein Ausblick möglich gewesen wäre.
Im Grunde seines Herzens war Zamorra sogar froh darüber, daß Zukunftsreisen unmöglich waren. Er fürchtete sich vor dem Tag, an dem es doch möglich sein mochte, vor dem Fluch, alles Voraussagen zu können. Deshalb hatte er auch vielleicht nicht die nötige Energie bei seinen Versuchen eingesetzt, vielleicht hatte aber auch das Amulett selbst die gegensätzlich ausgerichteten Ströme seines Unterbewußtseins ausgelotet und den Zeitsprung verhindert…
Doch Vergangenheitstrips waren durchweg möglich. Und so war Zamorra fast automatisch im letzten Moment auf diese Möglichkeit gekommen, hatte den Rettungsanker wahrgenommen, der sich ihnen darbot. Ein Sprung in die Vergangenheit!
Ein paar Stunden nur, sie mochten schon reichen. Zamorra
Weitere Kostenlose Bücher