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0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong

0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong

Titel: 0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schwarzer Tee aus Hongkong
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sah hinaus in die warme Nacht, die über New York lag wie eine weiche Decke. Sie gehörte nicht zu den Menschen, die ein Leben lang immer nur von der verlorenen Heimat träumen. Vielleicht lag es daran, daß sich für sie mit dem Begriff Heimat nicht alle die schönen Kindheitserlebnisse verbanden, wie sie die meisten Menschen haben. Ihre Jugend war licht- und freudlos gewesen, und somit war die Heimat für sie eine Stätte des Hungers, des Elends und der Not geworden.
    Die Gegenwart gefiel ihr besser. Tn ihrem Blut rauschte der Sang des Abenteuers. Sie hatte in einer Missionarsfamilie gelebt und unter den Männern der Berge, die einen harten und grausamen Krieg kämpften, weil sie an eine Sache glaubten, die sie für gut hielten. Sie kannte das Polizeigefängnis in Hongkong mit seinen engen Zellen und sie kannte die unermeßliche Weite des Stillen Ozeans. Sie hatte die jämmerlichen Buden der Armen in Hongkong gesehen und die Prachtvillen der amerikanischen Millionäre. Das Leben war eine berauschend bunte Sache.
    Sie ließ den Blick über die benachbarten Häuser schweifen. Drüben, hinter der nächsten Straßenecke glitt langsam und lautlos ein Auto mit abgeblendeten Scheinwerfern heran, hielt und spie seine Insassen aus. Fast gespenstisch wirkte die Geräuschlosigkeit, mit der alles geschah. Vier Männer huschten vom Wagan weg in die Toreinfahrt, die sich an dieser Seite zwischen den Häusern öffnete.
    Die Männer hielten längliche Gegenstände in den Händen.
    Li Yu Tang erschrak. Sie hatte ihre Erfahrungen im Bürgerkrieg gesammelt, und sie erkannte auch im Dunkeln die Maschinenpistolen der Männer.
    Zögernd wandte sie den Kopf nach rechts. An der nächsten Kreuzung stand ebenfalls ein Auto mit abgeblendeten Scheinwerfern. Man hatte die Kühlerhaube geöffnet, und ein Mann beugte sich über den freiliegenden Motor. Aber im Innern mußten noch mehr Männer sitzen, denn Li Yu Tang sah das rhythmische Aufleuchten der Glut von drei Zigaretten.
    Eine innere Erregung bemächtigte sich ihrer, als sie weiter rechts in der Straße die gleiche Szene beobachtete wie eben an der Einfahrt. Wieder verschwanden vier Männer mit Maschinenpistolen in der Dunkelheit des Hofgewirrs.
    Li Yu Tang zögerte keine Sekunde länger. Sie drehte sich um, griff unter ihr Bett und riß den großen Koffer hervor. Um den Hals trug sie den Schlüssel an einem silbernen Kettchen. Rasch hatte sie den Koffer aufgeschlossen. Mit fliegenden Bewegungen warf sie die Wäsche beiseite, die obenauf lag.
    Ein kleinerer Koffer kam zum Vorschein. Nicht viel größer als eine Reisetasche. Li Yu Tang hatte viel in dem harten Kursus des Bürgerkrieges gelernt. Und eine dieser Erfahrungen hieß: Sei immer bereit abzureisen, wohin und wann es auch sei! Nimm noch weniger Gepäck, als du für notwendig hältst, und wenn es nötig ist, nimm gar nichts!
    Sie nahm den kleinen Koffer und verlor keine Zeit damit, sich erst noch einen passenden Mantel aus dem Kleiderschrank zu suchen. Wenn Sekunden entscheidend sein können, soll man das Rennen nicht wegen eines Mantels verlieren!
    Leise eilte sie die Treppen hinab. Aber sie verließ das Haus nicht durch die Vordertür, wobei sie das Lokal hätte durchqueren müssen, sondern sie huschte durch eine Seitentür in den Nachbarhof. Von dort aus ging sie auf die Straße. Als sie den unbeleuchteten Hausflur durchquerte, spürte sie, daß rechts und links Männer an der Wand lehnten. Sie glaubte sogar, ihr unterdrücktes Atmen zu hören.
    Aber sie tat so, als wäre ihr nichts aufgefallen. Auch die Männer schienen sie nicht zu bemerken, obgleich sie gar nicht zu übersehen war, da sie ja mitten zwischen ihnen hindurchging.
    Auf der Straße wandte sie sich nach rechts. Mit festen Schritten ging sie auf den Wagen zu, der mitten auf der Kreuzung stand. Der Mann, der sich noch immer über den Motor beugte, sah kurz auf, blickte zu ihr hinüber und bückte sie dann wieder.
    Mit Herzklopfen in der Brust ging Li Yu Tang an dem Wagen vorbei. In jeder Sekunde rechnete sie damit, daß man sie anrief.
    Aber sie kam über den Wagen hinaus, ohne daß sie angerufen wurde. Mit aller Beherrschung zwang sie sich dazu, nicht zu rennen. Sie spürte einen kaum zu bezwingenden Drang, aus der Nähe dieser herumstehenden Autos zu entkommen.
    Vier Häuser hinter dem Wagen von der Kreuzung hielt ein Taxi am Straßenrand, und eine alte, reiche Chinesin stieg aus. Man konnte ihr faltenreiches Gesicht undeutlich im Schein der Innenbeleuchtung des

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