0117 - Die gestohlene Raumflotte
und somit die Sperre - lag demnach unter dem Draht, nicht über ihm. Es war ein reiner Zufall, daß Jakobowski in diesem Augenblick den Himmel betrachtete und sich erneut Gedanken wegen der intensiven Blaufärbung machte.
Als sein Blick sich senkte und jene Stelle erreichte, an der der Draht eine scheinbare Begrenzung durch den Himmel zog, stellte er fest, daß unter ihm das Blau anders war.
Blasser und ein wenig verwischt. Als läge ein fast unsichtbarer Schleier davor. Ein Schleier zwischen Draht und Boden. Nun hatte er begriffen. Der Draht sandte Strahlen aus, und zwar nur nach unten. Er erzeugte ein Strahlenfeld, das sich wie ein unsichtbarer Vorhang rings um das Hafengelände zog und sicherlich mehr als jede feste Mauer dazu angetan war, ein Verlassen unmöglich zu machen. Das Heimtückische der Sperrmaßnahme ärgerte Jakobowski besonders. Wäre er nicht so mißtrauisch gewesen und einfach weitergegangen, hätte ihn der nächste Schritt vielleicht das Leben kosten können. Vielleicht würde der Energieschlag nur betäuben, aber genauso gut konnte er auch tödlich wirken. Bevor er sich dazu entschloß, das Hindernis durch einen Sprung zu überwinden, wollte er sich von der Wirkung des Strahlenvorhanges überzeugen. Er sah sich um und suchte einen passenden Stein, als ihm der Zufall zu Hilfe kam. Ein dicker Berolkäfer, groß wie ein Sperling, kam quer über das Feld geflogen, dicht über dem glatten Betonboden, und strebte genau auf die Sperre zu. Er flog sehr langsam, wie es die Art dieser auf Akon heimischen Insekten war, änderte einige Male seine Richtung, um dann endlich, kaum zehn Meter von Jakobowski entfernt, unter dem Zaun durchzufliegen.
Die erwartete Entladung blieb aus. Jakobowski hatte fest damit gerechnet, ein Aufleuchten zu sehen. Aber es geschah etwas viel Unheimlicheres. Der Käfer verschwand einfach. Da begriff Jakobowski. Der Strahlenvorhang war keine Energiesperre, sondern eine vereinfachte Art der Materie-Transmission. Jeder Gegenstand, der in seinen Bereich geriet, wurde entmaterialisiert und an anderer Stelle wieder zurückverwandelt. Das konnte ganz in der Nähe geschehen, aber auch hundert Kilometer entfernt. Der Akone fünfhundert Meter links rührte sich nicht. Er schien von dem Vorfall nichts bemerkt zu haben. Vielleicht war aber der Käfer auch zu klein gewesen, um eine eventuelle Alarmanlage ansprechen zu lassen. Während Jakobowski noch darüber nachdachte, kam ein zweiter Käfer geflogen. Interessiert verfolgte Jakobowski den unregelmäßigen Kurs des Insekts, bis es weiter rechts von der unheimlichen Sperre entmaterialisiert wurde. Er hatte diesmal genau gesehen, daß der Käfer am linken Flügel verletzt war. Daher auch der etwas unregelmäßige Flug. Schon entschloß er sich dazu, endlich den Versuch zu wagen, über den Draht zu springen, als ein dritter Käfer von hinten herbeibrummte. Jakobowski glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Das war doch nicht gut möglich! Es war derselbe Käfer wie vorhin! Der linke Flügel war etwas verkürzt, der Flug unsicher und schwankend. Mit der diesen Insekten eigenen Sturheit steuerte er das unsichtbare Hindernis ein drittes Mal an und verschwand prompt von der Bildfläche. Jakobowski handelte schnell und instinktiv. Er drehte sich um und sah in die Richtung, aus der die Käfer - oder der Käfer - immer gekommen waren. Er hatte Glück. Aus dem Nichts heraus entstand keine fünfzig Meter entfernt ein dunkler Punkt, kaum drei Meter über der Betondecke.
Der Käfer! Er fiel einen Meter, ehe er wieder zu fliegen begann.
Diesmal - natürlich war es reiner Zufall - steuerte er den Draht hoch genug an, um nicht darunter, sondern darüber hinwegzufliegen. Knapp zwanzig Zentimeter strich er über das Hindernis hinweg, und diesmal geschah nichts. Damit erhielt Jakobowski den letzten Beweis, daß die Transmission nur unter dem Draht erfolgte. Die Akonen hatten also auf eine Todessperre verzichtet. Ein Terraner, der unter dem Draht hindurchgehen wollte, wurde einfach um fünfzig Meter zurückversetzt. Das war alles. Harmlos aber äußerst wirksam. Er stieß sich kräftig ab und stieg langsam bis in zwanzig Meter Höhe, um dann schräg dem Boden hinter dem Draht entgegenzufallen. Während er über das Hindernis hinwegschwebte, spürte er nichts. Sanft landete er in dem spärlichen Gras, ignorierte den nichtsahnenden Akonen und schaltete das Antigravfeld auf Null. Mit Hilfe des winzigen Triebwerkes gab er sich genügend Schub, um dicht über der
Weitere Kostenlose Bücher