012 - Der Schatten des Vampirs
bist, kann ich dir helfen. Wenn nicht, dann geh und opfere dich auf für deine Liebe!“
„Ich will mich nicht opfern“, schrie Felipe, „ich will Concha!“
„Du sollst sie haben.“
„Und ich will Santiagos Verderben.“
„Er wird zugrunde gehen.“
Sie machte eine Bewegung, und Felipe sah, wie ihr das Feuer gehorchte. Es flammte auf, als sei es ein lebendes Wesen. Ihr Gesicht und der Leib der Schlange leuchteten blutig rot.
„Ich sage dir aber jetzt schon“, warf ihm die Bruja hin, „das geht auch für dich nicht ohne Verluste ab. Wenn du auf dich nimmst, was dich erwartet, falls Conchita zurückkehrt, wenn
Santiago …“
Sie brach plötzlich ab. Felipe drang in sie fortzufahren.
„Das Unglück wird ihn ereilen – später. Und du wirst das Werkzeug zu seinem Unglück sein.“
„Um so besser“, rief Felipe.
La Bruja kicherte boshaft.
„Du hast es so gewollt. Concha wird noch einmal deine Sklavin werden, aber nicht für immer. Und dann wird Santiago untergehen. Aber du, du zahlst auch.“
„Ich werde zahlen. Mir ist nichts zu teuer für das, wonach ich mich verzehre. Aber sag mir, Bruja, wann wird dies alles geschehen? Woran merke ich, dass es soweit ist?“
Die Hexe gab dem Feuer wieder ein Zeichen, und diesmal schien es sich zusammenzuziehen. Die Flammen verschwanden, und nur ein paar rote Punkte glommen im Halbdunkel. Dennoch sah Felipe etwas, das ihn hoch riss.
Ein Vampir kreiste mit ausgebreiteten Flügeln unter der Decke der Hütte. Er hatte ihn ganz deutlich erkannt. Es dauerte nur einen Augenblick, dann war er wieder verschwunden.
„Was soll der Vampir? was bedeutet er?“
Die Alte hatte wieder ihre kauernde Stellung eingenommen.
„Du wirst es früh genug erfahren“, sagte sie kichernd, so dass Felipe nicht wagte weiter zu fragen.
Indessen gab sie dem Feuer wieder ein ermunterndes Zeichen und winkte Felipe zu sich heran. Sie bemerkte, dass er aus Angst vor der Schlange zögerte. Ihr Lachen lief ihm eiskalt über den Rücken.
„Fürchte dich nicht, sie tut dir nichts.“
Felipe unterdrückte seinen Widerwillen und setzte sich neben sie.
„Ich werde dir etwas auf der Gitarre beibringen“, sagte La
Bruja. „Pass gut auf. Wenn du die Saiten zupfst, wie ich es dir jetzt zeige, dann musst du nur unter Conchas Fenster spielen. Und wie du es wünschst, wird sie zu dir kommen. Ihr Blut wird dem deinen antworten, sie wird Sehnsucht nach dir haben. Sie wird Lust empfinden, aber keine Liebe.“
Damit begann die Lektion. Felipe hörte mit größter Aufmerksamkeit zu. Die Alte brachte ihm die sehr einfache Melodie bei. Aber ihr Rhythmus war kompliziert und so bizarr, dass er einem fast wehtat. Felipe nahm die Gitarre, versuchte zu spielen, machte Fehler, versuchte es wieder.
Das ging eine ganze Weile so. Wie lange es wirklich gedauert hatte, wusste Felipe später nicht mehr. Endlich konnte er sie fehlerlos spielen, die Zaubermelodie, obwohl er kein besonders guter Gitarrist war.
„Wirst du dir das Lied merken?“ fragte La Bruja.
„Bis an mein Lebensende“, versprach er.
„Gut, dann geh jetzt. Aber vergiss nicht, dass dein Glück nur von kurzer Dauer sein wird. Ihr steht alle drei im Schatten des Vampirs.“
„Auch wenn ich den Besitz meiner Geliebten mit ewiger Verdammnis bezahlen muss, das ist es mir wert. Und Santiagos Unglück auch.“
Sie raunte etwas zwischen den Zähnen, das er kaum verstand. Aber wahrscheinlich sollte es heißen: „Du wirst zufrieden gestellt werden.“
Felipe nahm die Gitarre über die Schulter, drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Hütte. Die Bruja machte nicht den geringsten Versuch, ihn aufzuhalten.
Er ging zu seinem Pferd, band es los und machte sich im Galopp auf den Heimweg.
Die Bruja war unbewegt sitzen geblieben. Klappernd löste sich die Schlange von ihrer Schulter, glitt ihren Arm entlang und näherte sich lüstern den verlöschenden Flammen.
Die „Mama“ ging zwischen den Tischen hin und her und plauderte mit ihren Gästen. Sie fragte, was es Neues gäbe, ob die Kautschukernte vorangehe und wer krank geworden sei. Dabei schenkte sie Cachaca ein, den Schnaps, der aus Zuckerrohr gebrannt wird, ein Lieblingsgetränk der Seringueiros.
Die Posada war ganz verräuchert. Zigarren und Zigaretten wurden beinahe verschlungen. Nach zwölf Stunden Arbeit in den Kautschukpflanzungen traf man sich bei der „Mama“. Zwölf Stunden draußen bei den Riesenbäumen, das war keine Kleinigkeit. Dort mussten sie das Latex,
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