012 - Die Sekte des Lichts
aus trüben Augen an.
Die Soldaten führten Aruula um die Kathedrale herum. Ein weiter Platz öffnete sich. Eine große Menschengruppe scharte sich um lange Tische. Aruula erkannte klobige Fässer.
Dahinter große und kleine Steinhäuser. Seltsam schief lehnten sie aneinander. Schmale Gassen öffneten sich zwischen ihnen.
Vor der Kathedrale machten die Soldaten Halt. Sitze waren dort aufgestellt. Auf einigen saßen Gestalten in grauen Gewändern. Der größte Sitz in der Mitte war reich verziert und kunstvoll bemalt. Drei Stufen führten zu ihm hinauf. Eine Art Thron. Der Mann darauf musterte Aruula aus ausdruckslosen eisgrauen Augen. Im ersten Moment hielt Aruula ihn für tot, so reglos saß er da, so starr erschien ihr seine Miene zwischen den dicken Säumen seiner schwarzen Kapuze.
Die Soldaten blieben stehen und nahmen Haltung an. Sie schlugen sich mit geballter Rechter auf die Brust. »Gefangene gemacht!«, schnarrte einer. »An der Zoobrück. War in dem Feuervogel, der über die Stadt flog. Dysdoorer haben zweiten Vogelreiter geschnappt!«
Aruula hatte Mühe, den hiesigen Dialekt zu folgen.
Der Mann auf dem Thron erhob sich. Er raffte seine schwarze Kutte hoch und stieg die Stufen hinab. Dabei öffnete sich die Kutte und gab den Blick auf ein violettes Kleid mit dem Symbol des Schwarzen Doms frei.
Kichernde Männer und Frauen sammelten sich um Aruula und die Soldaten. Die wichen zur Seite. Die Stricke an Aruulas Handgelenken strafften sich und zogen ihre Arme auseinander. Schutzlos und halb nackt stand sie vor der Schwarzkutte.
Die eisgrauen Augen des Mannes hielten ihren Blick fest. Aruula sah ein fahlgelbes, eingefallenes Gesicht in der Kapuze. Zahllose Falten durchzogen es. Der Mann war uralt. Er machte eine Handbewegung. Jemand löste sich aus der Menge, warf Aruula einen Mantel über die Schulter und zog den Stoff über ihren Brüsten zusammen.
Das Gekicher um sie herum verstummte. Kein Getuschel, keine Stimmen mehr. Stille trat ein. Der Alte in der Schwarzkutte begann Aruula zu umkreisen. Irgendwann blieb er wieder vor ihr stehen. »Wie heißt du?«
»Aruula.«
»Woher kommst du?«
Aruula stieß ein bitteres Lachen aus. Sie musterte die Soldaten links und rechts neben sich. Ihre Augen funkelten. »Vom Fluss. Diese Mistkerle haben mich überfallen.«
Unbewegt fixierte der Greis Aruula.
»Woher du kommst, will ich wissen.«
»Weg mit den Fesseln!« Aruula zerrte an den Stricken. »Und bestraf diese Taratzenschwänze! Dann können wir reden!«
Der Mann machte eine kaum sichtbare Kopfbewegung und trat einen Schritt zurück. Einer der Soldaten pflanzte sich vor Aruula auf. Er schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht.
»Das ist der hochwürdige Kaadinarl Joosev der Siebzehnte!« Wieder traf sie ein Schlag. »Du stellst keine Forderungen! Du gibst Antworten!«
Er trat beiseite, und der Greis namens Joosev schob sich wieder näher heran. »Woher kommst du?«
Aruula biss die Zähne zusammen und schwieg. Sie spürte Blut aus ihrer Nase laufen.
»Wie kannst du den Feuervogel fliegen?« Er begann sie wieder zu umkreisen. »Bist du ein Dämon aus Orguudoos Heerscharen?«
Aruula schwieg.
Irgendwann machte der Alte eine Handbewegung. Der Strick zwischen Aruulas Knöchel spannte sich, die Beine wurden ihr weggerissen, sie stürzte auf den Steinboden. Die Soldaten zerrten sie herum, bis sie auf dem Rücken lag. Wieder knieten sie auf ihren Armen und Beinen. Eine stinkende Hand hielt ihr die Nase zu. Sie schnappte nach Luft.
Jemand rammte ihr einen Trichter zwischen Zunge und Gaumen. Sie hörte Schritte und Gekicher. Über sich sah sie die schwarze Kathedrale in den Himmel ragen. Bunt gekleidete Männer und Frauen brachten Krüge mit dem schäumenden Getränk. Jemand leerte den ersten Krug durch den Trichter in Aruulas Rachen.
Sie warf den Kopf hin und her, versuchte den Trichter mit der Zunge aus dem Mund zu stoßen, aber einer der Soldaten klemmte ihren Kopf zwischen seine Knie und presste ihre Wangen und Lippen zusammen gegen das Trichterrohr. Aruula musste schlucken. Das Zeug schmeckte säuerlich und kalt. Sie schluckte und schluckte. Zwischendurch ließ die stinkende Hand ihre Nase los. Ihr Oberkörper bäumte sich auf, als sie Luft holte. Dann rann wieder das Gesöff durch den Trichter in ihren Hals.
Aruula würgte und schluckte. Bald verzerrten sich das Gesicht des blonden Soldaten über ihr und das schwarze Gemäuer dahinter. Die bunten Menschen verschwammen, die Sitze des Kuttenträger,
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