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012 - Die Sekte des Lichts

012 - Die Sekte des Lichts

Titel: 012 - Die Sekte des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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bekannter Erreger in der Kleidung, im Haar und auf der Haut. Nach einem Knopfdruck schoben die Schleusentüren sich auseinander. Ein weiterer, kleinerer Laborraum wurde sichtbar. Gedämpftes Licht erhellte Apparaturen, Rechner, Käfige, Monitore und Mikroskope. Es war warm hier; Wasser sprudelte leise, etwas tickte, etwas summte, etwas rauschte.
    Vittoris trat in den Raum. Er schaltete den Tuner der Stereoanlage ein. Klassische Musik ertönte aus den Lautsprechern über der Tür. Die sechste Sinfonie von Beethoven. Vittoris' ausdruckslose Miene hellte sich auf.
    Bis zum Sonnenaufgang würde er hier unten zu tun haben. Er hörte immer den gleichen Sender, wenn er nachts hier arbeitete. Und er arbeitete praktisch jede Nacht hier unten. Im wichtigsten Raum seines Labors.
    Die Dominikaner kamen selten ins Souterrain. Nur wenn einfache Messungen durchzuführen und zu protokollieren waren, spannte Vittoris sie in seine private Arbeit ein.
    Und der Kardinal war erst zweimal hier unten gewesen. Er erforsche die Lebensdauer isolierter Nervenzellen, hatte Vittoris ihm erklärt. Er tue das im Auftrag der University of Berkeley; ein Vertrag binde ihn bis Ende nächsten Jahres. Der Kardinal hatte es ohne sichtbares Misstrauen geschluckt.
    Vittoris zog einen sterilen Schutzmantel über und setzte Kopfhaube und Mundschutz auf. Natürlich hatte ihn die Idee des Kardinals gereizt. Menschen klonen. Noch dazu aus Jahrtausende altem Zellmaterial. Ohne Zeitdruck, ohne das chronische Handicap eines viel zu rasch verbrauchten Etats. Welchen Wissenschaftler hätte das nicht gereizt? Aber es gab Dinge, die reizten den Molekularbiologen weit mehr…
    Fiepen und das Vibrieren dünner Metallgitterstäbe ließ ihn einen Blick hinter sich werfen. Zwei Ratten standen dort in einem Käfig auf den Hinterläufen und scharrten mit den Krallen der Vorderläufe über die Gitterstäbe. Weiß die eine, hellgrau die andere.
    »Geduld, Daimler, Geduld Chrysler - ihr bekommt eure Leckerbissen. Aber erst muss ich mich um euren Genossen kümmern.«
    Beethovens Musik perlte aus den Boxen. Der letzte Satz begann. Vittoris summte leise mit. Er trat an einen langen verchromten Arbeitstisch. Darauf stand der ganze Stolz des Wissenschaftlers: eine chaotisch anmutende Apparatur. Eine skurrile Anordnung von Schläuchen, Rädchen, Kunststoffkästchen, Schaltkonsolen und Glasröhrchen - der Revitalisierungs-Perfusor. Vittoris' Lebensinhalt.
    Von links führte ein Schlauch Wasser aus einem Destillator in das unübersichtliche System hinein. Die kleine Pumpe summte vor sich hin. Auf der rechten Seite floss das verbrauchte Wasser in einen Sammelbehälter - eine gelbliche Brühe. Und im Zentrum der Geräteanordnung, auf eine gepolsterte Miniaturpritsche geschnallt, eine Ratte. Sie hob den Kopf, als Vittoris sich über sie beugte…
    Die drei Ratten waren der eigentliche Grund, der Vittoris veranlasst hatte, sich auf das Angebot des Kardinals einzulassen. Seit zwölf Jahren experimentierte er mit ihnen. Die Protokolle und Ergebnisse seiner Forschung füllten riesige Datenbanken.
    Natürlich hatte Vittoris einst Theologie studiert. Die Grundsemester wenigstens. Lange, lange her. Jetzt, über zwanzig Jahre später, konzentrierte sich sein theologisches Interesse - falls er überhaupt noch eines hatte - einzig und allein auf den Begriff des Ewigen Lebens. Nicht dass Vittoris diesen Begriff philosophisch und theologisch erforschte - o nein! Er erforschte ihn als Naturwissenschaftler. Seit zwölf Jahren arbeitete er unermüdlich daran, ihn in die Tat umzusetzen…
    »Wie gehts dir, Gates?« Aus dunklen Knopfaugen blinzelte die große schiefergraue Ratte ihn an. Sie war fast fünfundzwanzig Jahre alt. Ein zwei-Euro-großes Stück des Fells auf Hals und Brust des Tieres waren ausrasiert. Ein durchsichtiger Schlauch führte an dieser Stelle in den Körper des Tieres hinein. Und knapp daneben ein zweiter mit gelblicher Flüssigkeit wieder heraus.
    »Du fühlst dich frisch wie ein Neugeborenes, stimmts?« Fast fünfundzwanzig Jahre alt! Ganz genau wusste Vittoris es selbst nicht. Alle drei waren sie etwa so alt. Vittoris hatte Daimler, Chrysler und Gates gekauft, als sie bereits zwölf Jahre alt waren. Ein extrem hohes Alter für Ratten der Gattung Rattus norwegicus. Selbst in Gefangenschaft wurden Wanderratten selten älter als zwölf Jahre. Und seit weiteren zwölf Jahren erhielt Vittoris sie am Leben…
    Er zog einen Extrakt aus Rattenhirnen und den Nebennierenrinden von Ratten in

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