012 - Freie Seelen
Zukunft.
Du hebst sie auf. Kennst du das Gefühl? Das Gefühl des Stillstandes? Als würde die Zeit in einem Meer waten. Langsamer werden. Feststecken.
Diese innere Kraft, die unter der Oberfläche brodelt und auf ihre Eruption wartet. Dann tickt es wieder, der Druck ist weg. Auf seltsamen, nicht nachvollziehbaren Kanälen, die Kraft sinnlos verpufft.
Und wieder frage ich mich, welcher Tag ist heute?
Mittwoch? Oder Donnerstag? Oder Dienstag? Oder doch Donnerstag? Donnerstag. Ja, das klingt richtig.
*
7. Juni 2063
Kramert war mittelgroß, trug einen Vollbart und das Haupt kahl. Sein Bauch quoll über den Gürtel. Schon lange versuchte er, des Übergewichts Herr zu werden, aber in dieser Hinsicht war er schwach.
So konsequent er als Sicherheitschef auch war – wenn es ums Essen ging, blieb er nur der zweite Sieger. Kaum nahm er ein Kilo ab, kamen postwendend zwei zurück, daher hatte er es aufgegeben, sich darüber zu grämen und akzeptierte den Umstand, wie er war. Es gab Schlimmeres als dies.
Seine Gedanken wanderten zum aktuellen Geschehen. Betriebsspionage, vor allem, wenn der Agent meinte, er habe die Situation im Griff, belustigte ihn. Zum Glück arbeiteten seine Informanten bei Freie Seelen hervorragend und waren an der richtigen Stelle positioniert, so hatte er den Einbrecher erwartet, ohne sich ihm erkennen zu geben.
Kramert hatte jeden Schritt des Agenten überwacht und diesen in Sicherheit gewiegt. Er sollte einbrechen. Kramert nutzte den Einbruch für zweierlei. Zuerst wollte er die Fehler im Sicherheitssystem testen und da hatte er einige Erkenntnisse gewonnen. Es würde einige Änderungen geben.
Der verantwortliche Chefingenieur durfte diese Modifikationen allerdings nicht mehr ausführen. Kramert war sehr konsequent, wenn es um Fehlverhalten ging. Und ein löchriges Sicherheitsnetz gehörte nicht zu den Dingen, die er tolerierte.
So war der Chefingenieur in den ewigen Ruhestand gegangen und sein Nachfolger wusste von dessen Schicksal. Gab es eine bessere Motivation, in Zukunft erfolgreicher zu sein?
Kramerts Gedanken kehrten zu dem Agenten zurück. Was auch immer Freie Seelen mit ihm angestellt hatte, es hatte ausgereicht, den Sicherheitschef zu beeindrucken.
Er war vorgewarnt gewesen, trotzdem beeindruckte ihn die enorme physische Leistungsfähigkeit des Agenten. Er würde ein Auge auf die weitere Entwicklung bei Freie Seelen haben. Wer wusste, wozu es Nutze war …
Aber zurück zum Einbruch. Der Test der Sicherheitssysteme war natürlich nur ein Grund, den Agent gewähren zu lassen. Kramert hatte Weiteres im Sinn.
Die Flibo-Liste der Agenten bei Freie Seelen war recht umfangreich. Viele der aufgelisteten Spione waren dem Religionskonzern wohl bekannt, manche allerdings eher nicht.
Kramert hatte einige vorgewarnt, damit sie frühzeitig untertauchen konnten. Doch um der Farce mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, mussten manche geopfert werden. Zumeist die, denen der jahrelange Aufenthalt bei Freie Seelen schon zu schaffen machte. Dort wurden nicht nur die Kunden mit Glücksmachern aller Art versorgt.
Nein, auch in den Mitarbeiterstämmen, selbst im Führungsstab, gab es zahlreiche Konsumenten diverser Drogen.
Doch was Kramert noch mehr verwunderte, ja, gar erschreckte, war die Wirkung der zahlreichen Religionen, die selbst vor hoch qualifizierten Flibo-Agenten nicht halt machte.
Diese wurden jetzt von der Gehaltsliste gestrichen und damit wurde Kramert seine Wackelkandidaten auf einen Schlag los.
Freie Seelen war für ihre rücksichtlose Vorgehensweise bekannt, ein Umstand, den Kramert sehr sympathisch fand.
Aber fast noch wichtiger bei dem Coup des gewährten Einbruchs waren die geheimen Informationen zum Projekt Star Gate.
Wie Kramert aus zuverlässiger Quelle wusste, sollte der Freie Seelen Agent später bei Mechanics Inc. eingeschleust werden, daher die entsprechende – natürlich zensierte – Agentenliste über den Detroiter Konzern.
Der feindliche Agent würde bei einem anderen feindlichen Konzern spionieren und in seiner Schulter befand sich ein winziges Partikel, ähnlich einem Splitter. Er hatte nur kurz gezögert, als dieser in seine rechte Schulter eingedrungen war.
Ein Sender neuester Bauart, eigentlich ein Prototyp, aber Kramert hoffte, dass er ausreichend lange funktionieren würde, um an Informationen des Projektes Star Gates zu gelangen. Ebenso hoffte er, dass der Sender unentdeckt bleiben würde.
Kramert tastete einen Steuerbefehl in seinen
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