0125 - Der Teufel aus dem Orient
Professor. Nicole blieb abrupt stehen, stemmte die Arme in die Hüften und sah ihren Chef und Lebensgefährten zweifelnd an.
»Sag, spinnst du eigentlich nur noch?« fragte sie angriffslustig. »Wenn du jetzt auch nur einen dieser Burschen ankratzt, können wir ihm in drei Monaten noch nicht beziehungsweise nicht mehr begegnet sein. Alles, was sich also in der nahen Zukunft bereits abgespielt hat, ist nicht mehr wahr, wir werden eventuell nicht in diese Zeit verschoben, und du kannst den Dämon somit jetzt auch nicht ankratzen. Das aber bedeutet: Er lebt in drei Monaten noch, alles ist wie vorher…«
»Richtig«, grinste Zamorra. »Also kratzen wir…«
»Nein!« heulte Nicole. Einige Araber und Ägypter wandten ihr irritiert ihre Köpfe zu. Da wurde Zamorras Grinsen noch breiter.
Er trat auf sie zu, faßte sie an den Schultern und zog sie an sich. »Du siehst so herrlich aus, wenn du dich aufregst«, gestand er. »Glaubst du denn im Emst, ich wüßte nicht über die Zeitparadoxon-Risiken Bescheid?« Er küßte sie intensiv. Ein weißbärtiger Sippenchef vergaß, seinen vor ihm hermarschierenden Sklaven zu prügeln, blieb kopfschüttelnd stehen und murmelte etwas von der heutigen Jugend, die auch nicht mehr das sei, was sie einmal gewesen war. Schließlich ließ Zamorra Nicole wieder los.
»He, Chef und Gebieter«, japste sie. »Du hältst aber heute viel von plumpen Annäherungsversuchen.«
»Das Wetter macht’s«, begann Zamorra mit seiner faulen Ausrede und deutete mit dem Daumen zur grell vom Himmel brennenden Sonne. Nicole sah an sich herunter und schüttelte den Kopf. »Ich glaube eher, daß mein Aufzug daran schuld ist…«, bemerkte sie.
Zamorra lächelte verhalten. Dann aber wurde er wieder ernst.
»Es hängt natürlich davon ab, wie die Dämonen sich verhalten«, dachte er laut. »Wenn sie ruhig bleiben, sehe ich keinen Grund einzugreifen. Denn tot sind sie ja im Grunde schon. Aber wenn sie beginnen, ihren finsteren Trieben nachzugehen, sieht die Sache schon anders aus.«
Nicole nickte. Sie wurde sich allmählich der Gewissens-Zwickmühle bewußt, in der sie sich befanden. Die Problemstellung glich verzweifelt dem alten Spielchen »Wasch mir den Pelz, und mach mich nicht naß«. Es blieb nur zu hoffen, daß nichts geschah.
Unwillkürlich griff Zamorra an seine Brust, dorthin, wo im Normalfall das Amulett hing. Doch das war zurückgeblieben.
Eigentlich wäre die Sache damit geklärt, dachte er. Leonardo bekommt das Amulett, um es mir später zu vererben. Aber da war ja noch das Duplikat. Ein Rätsel mehr, das auf seine Lösung wartete.
Sie gingen langsam weiter durch die staubige Straße, die zum Bazar führte. Dieser laute, bunte und unterhaltsame Markt durfte in keiner orientalischen Stadt fehlen und hatte sich auch bis ins zwanzigste Jahrhundert kaum gewandelt.
Zwischendurch musterte Zamorra die Häuser der Stadtbewohner. Araber, Ägypter und Juden gaben sich hier ein Stelldichein, sich mehr oder weniger anfreundend oder befehdend. Obwohl sie sich bereits seit der Eroberung durch die Kreuzritter tagelang in Jerusalem aufgehalten hatten, bekam Zamorra jetzt erst Gelegenheit, das Treiben und Wohnen näher zu studieren. Denn in der ganzen Zeit war er kaum einmal aus dem Palast herausgekommen…
Es waren in der Hauptsache einstöckige, weiße Steinbauten mit flachen Holzdächern. Nur wenige Gebäude ragten darüber hinaus. Über allem aber stand der Palast des Kalifen weiß und strahlend in der Sonne.
Die Fenster der kleinen, dichtgedrängten Häuser waren einfache, viereckige Löcher, vor denen zuweilen Felle hingen. Aus manchen dieser Öffnungen drang lautes Stimmenspektakel oder das Scheppern von Tongeschirr; offenbar war man dabei, das Mittagessen zuzubereiten. Überall schlichen dunkelhäutige Männer und Frauen mit dem Sklavenbrand auf dem Rücken herum, manche in Ketten, andere frei und aufrecht, je nach Gemüt ihres Besitzers.
Dann öffnete sich die Straße auf den Bazar, einen größeren, rechteckigen Platz ziemlich in der Mitte der von der hohen Schutzmauer umgebenen Stadt. Hier schwoll das Stimmengewirr an zu einem wilden Brausen. Die halbe Stadt schien sich hier gleichzeitig ein Stelldichein zu geben. Händler aus der Umgebung boten lautstark ihre Waren an, liefen den weniger interessierten Käufern förmlich nach.
Sie passierten das Zelt eines Goldschmiedes, der einige recht gelungene Stücke auf einem Tuch auf dem Boden liegen hatte, hinter dem er im Zelteingang mit gekreuzten
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