0127 - Die Eisvampire
halten.
Da die Eisfläche glatt und zudem leicht schräg war, rutschte er nach vorn.
Direkt auf den zweiten Vampir zu, der das J auf der Brust hat.
Der Untote stürzte sich auf Berger. Toni sah über sich etwas Dunkles, dann rissen ihn zwei Hände hoch. Sie schleuderten ihn wie eine Puppe herum. Berger trug Spezialschuhe, mit denen er auch auf dem Eis laufen konnte, doch er kam mit der Absatzkante auf, rutschte herum und fiel der Länge nach hin.
Im nächsten Augenblick waren gleich zwei Vampire bei ihm.
Niemand konnte die Ungeheuer halten. Sie rochen das frische Menschenblut, und das machte sie wild.
Sie fielen auf Toni Berger, der, angeschlagen wie er war, gar nicht alles so recht mitbekam. Eine gekrümmte Hand fetzte seinen Pullover entzwei. Dolchartige Fingernägel rissen blutige Streifen in seine Haut unter dem Kinn.
Dann lag der Hals frei.
Auch der dritte Vampir kam heran. Er sprang über das Geländer und kreischte.
Die Konya-Brüder waren perfekt.
Plötzlich lichteten sich die Schleier vor Toni Bergers Augen. Er schaute in die schrecklichen Fratzen mit den weit aufgerissenen Mäulern und sah die Augen, in denen die Gier nach seinem Blut leuchtete.
Dann fielen sie auf ihn herab.
Ein letztes Mal bäumte Toni sich auf. Er spürte den scharfen, beißenden Schmerz an seinem Hals, und die Welt um ihn herum verschwamm in einem dunklen, undurchschaubaren Nebel.
Die saugenden, schmatzenden Geräusche nahm er nicht mehr wahr…
***
Der Mann in der Mittelstation hockte auf der obersten Stange des grau gestrichenen Absperrgeländers und schaute zu den majestätisch aufragenden Berggipfeln hoch. Wie Watteknäuel trieben helle Wolken um die scharfkantigen Grate, die vom ewigen Schnee bedeckt waren. Etwas unterhalb, in einer kleinen Talmulde, lag ein Hotel, das gern von Sommerskifahrern besucht wurde.
Die Luft schmeckte schon kühler. Zwischen den Zweigen der Bäume zitterten Spinnweben, Nachzügler eines vergehenden Sommers und erste Anzeichen des nahenden Herbstes.
Bald würde Schnee fallen. Der Mann verzog das Gesicht, als er daran dachte. Der Sommer war in diesem Jahr verdammt kurz gewesen. Bis weit in den Juni hinein hatte noch Schnee gelegen. Zum Glück kam so etwas nicht alle Jahre vor.
Jo Spengler zündete sich seine Pfeife an und schaute auf die Uhr.
Der gute Toni hatte sich verspätet. Den Worten seines Sohnes nach zu folgen, hätte er schon längst da sein müssen, und auch Jo hatte keine große Lust mehr zu warten, denn er war im Gasthaus verabredet. Der Stammtisch lockte.
Wenn Toni Berger in einer Viertelstunde nicht da war, wollte er selbst nachschauen. Vielleicht konnte er ihm dann bei der Reparatur helfen, davon hatte Max auch gesprochen.
Jo Spengler paffte die blaugrauen Wolken in die kühle Abendluft.
Er hatte sich seinen Pullover übergezogen und den Hut aufgesetzt, der sein dichtes blauschwarzes Haar verbarg. Die Lippen und ein Teil des Gesichts verschwanden fast unter dem dichten Bartgestrüpp. Jo war ein richtiges Mannsbild, wie man in Österreich sagte.
Kräftig, kernig und noch zu haben. Hanni, seine große Liebe, war mit Max Berger verlobt. Sie hatte ihn vorgezogen. Trotzdem waren die beiden Männer Freunde geblieben.
Die Gondel war fahrbereit. Der leichte Wind bewegte den schweren Kasten, und die Gondel schwankte ganz leicht von einer Seite zur anderen.
Irgendwie wirkt eine leere Seilbahnstation unheimlich, dachte der gute Josef. Wenn keine Fahrgäste da waren und die Ständer mit den Ansichtskarten längst abgeräumt wurden, konnte man sich allein schon fürchten. Überall entstanden Geräusche. Die Blätter der Bäume raschelten gegeneinander, das Gestänge bewegte sich, es ächzte und knarrte, und oft knackten Zweige oder Äste.
Es war schon komisch.
Seine Schwester hatte Jo auf diese Gedanken gebracht. Sie fürchtete sich allein auf einer Station.
Die Zeitspanne war um.
Sicherheitshalber warf Jo Spengler noch einen Blick auf seine Uhr und schaute dann den Serpentinenweg zu den Eishöhlen hoch, ob sich dort nicht schon etwas tat.
Tatsächlich, er kam.
Jo grinste, weil er Berger an seinem roten Pullover erkannt hatte.
Er hatte die Höhle schon verlassen und würde in einigen Minuten hier sein. Meist nahm er gar nicht den Weg, sondern kürzte ab, in dem er die Kurven schnitt und quer über das Geröll ging.
Jo Spengler schwang sich von seinem Sitz und schlenderte zum Telefon. Er wollte im Tal Bescheid sagen, daß es nicht mehr lange dauern würde, bis sie
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