0136 - Falsche Spuren - echte Mörder
zu spät. Eines Tages wurde die ganze Bande von der Polizei ausgehoben. Ich erfuhr erst aus den Zeitungen, dass Joe und Walter Mitglieder einer Bande gewesen waren.«
Huckson schwieg, als er Margys Gesicht sah. Er wusste, dass er sie jetzt nicht unterbrechen durfte, wenn er ihren Erinnerungsstrom nicht stoppen wollte.
»Joe wurde zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt und Walter zu zwölf. Nach drei Jahren und sieben Monaten kam Joe wieder heraus. Ich hatte auf ihn gewartet, denn ich glaubte, dass es ihm eine Lehre sein würde. Ich habe es nicht bereut. Joe arbeitet in einer Tankstelle. Wir haben nicht viel Geld gehabt in den letzten Jahren, aber wir ' waren glücklich. Joe ist fleißig und ehrlich. Von Walter hatte ich bis heute nie wieder etwas gehört.«
»Und heute tauchte er plötzlich auf?«
»Ja. Er erzählte diese fürchterliche Geschichte von Joe. Mister Huckson, sind Sie ganz sicher, dass Sie nichts davon gehört haben?«
»Ganz sicher. Und wenn die Geschichte wahr wäre, hätte ich etwas davon gehört, verlassen Sie sich darauf!«
Er zog in diesem Augenblick die wirklich seltene Möglichkeit nicht in Betracht, dass ein Mord von vornherein vom FBI bearbeitet wird. In der weitaus größeren Zahl der Fälle bearbeitet die Mordkommission der Stadtpolizei gewöhnliche Mordfälle. Nur durch den Umstand, dass durch den Beruf des Opfers politische Motive oder gar Spionage als nicht ausgeschlossen erschienen, war dieser Fall sofort von uns übernommen worden.
»Gott sei Dank«, seufzte Margy. »Aber ich verstehe trotzdem nicht, wo Joe bleibt! Er müsste längst zu Hause sein!«
»Er wird schon noch kommen«, tröstete Huckson. »Aber sagen Sie mir doch bitte noch den genauen Namen dieses Halunken.«
»Walter Pentrum.«
»Wissen Sie, wo er wohnt? Oder wo er früher gewohnt hat?«
»Nein, das hat er mir nie gesagt. Aber er verkehrte oft in einer Kneipe an der East Side.«
»Wie heißt das Lokal?«
Margy runzelte wieder die Stirn und dachte angestrengt nach.
»Es war irgendetwas mit Bay«, murmelte sie.
»Lower Bay?«, warf Huckson rasch ein.
»Ja, ich glaube, so hieß es.«
Huckson nickte, als habe man ihm soeben eine Vermutung bestätigt.
»Die Bude kenne ich«, sagte er. »Das Lokal ist so was für Gangster und Ganoven wie eine Lampe für die Motten. Es zieht sie förmlich an. Na, es sollte mich wundern, wenn wir diesen Pentrum nicht ziemlich schnell in die Finger kriegen. Ich wünsche mir nur, dass er sein Messer auch zieht, wenn ich auf ihn zugehe! Junge, den Spaß wünsche ich mir!«
***
Die nächsten vier Tage brachten auf keiner Seite etwas wesentlich Neues. Dann kam ein Wochenende, und wir spannten gehörig aus.
Am Montagmorgen erschien bei uns im Office Margy Moore. Wir hatten sie schon vor einigen Tagen gesehen, als wir nach unserem Besuch bei Mister Brooks und seiner Tankstelle zu ihr gefahren waren, um sie von der Verhaftung ihres Mannes zu unterrichten. Aber wie hatte sie sich in der Zwischenzeit verändert!
Ihre Augen lagen tief in den Höhlen. Ihr Gesicht war unnatürlich blass, und ihre Hände befanden sich in ständiger Bewegung.
»Sind Sie Mister Cotton?«, fragte sie.
Ich nickte.
»Ja, sicher! Hatte ich mich nicht vorgestellt bei meinem Besuch, den ich vorige Woche bei Ihnen machte?«
Sie fuhr sich mit einer müden Geste über die Stirn: »Ich weiß es nicht. Bei mir geht alles durcheinander. Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Joe soll ein Mörder sein…«
Sie schluchzte, aber es kamen keine Tränen. Vielleicht hatte sie sich schon so ergiebig ausgeweint, dass sie keine Tränen mehr hatte.
Es gibt Stunden, in denen man sich bestimmt nicht wohlfühlt in seiner Haut. Eine dieser Stunden war jetzt. Was konnte diese Frau dafür, dass Settskail erschossen worden war? Nichts. Trotzdem zerbrach auch ihr Leben. Aber konnte man den Mörder laufen lassen, nur aus Rücksicht auf die bedauernswerte Frau?
»Was kann ich für Sie tun, Mrs. Moore?«, fragte ich, während sich Phil beobachtend im Hintergrund hielt.
Sie sah mich an.
»Das fragen Sie noch?«
Ich senkte den Kopf. Der anklagende Blick dieser jungen Frau war einfach nicht zu ertragen.
»Sie machen uns Vorwürfe«, stellte ich fest. »Weil wir Ihren Mann verhaftet haben und Mordanklage gegen ihn erheben werden. Deswegen machen Sie uns Vorwürfe, nicht wahr?«
»Soll ich mich etwa dafür bedanken?«, stieß sie hervor.
»Versetzen Sie sich mal in unsere Lage«, erklärte ich. »Auf einer Kreuzung wird ein Mann
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