0136 - Falsche Spuren - echte Mörder
ermordet. Sechs erwachsene Zeugen sehen'den Mörder: Er trägt einen hellgrauen Mantel und flüchtet mit der Mordwaffe in der Hand in eine Einfahrt hinein. Ein paar Minuten später dringt die Polizei in diesen Hof ein und findet einen gewissen Joe Moore. Er trägt einen hellgrauen Mantel, und alle Zeugen behaupten: Jawohl, dies ist der Mantel, den der Mörder getragen hat. Eine Frau will sich sogar an das auffallend kurze Revers dieses Mantels erinnern können. Wir durchsuchen diesen Joe Moore. In der rechten Manteltasche finden wir eine Pistole, die seine Fingerabdrücke trägt. Nach einer Untersuchung der Waffe durch Sachverständige steht einwandfrei fest, dass es die Mordwaffe ist. Der Verdächtige selbst kann uns keinerlei Auskunft darüber geben, was er in der fraglichen Zeit getan hat. Er behauptet, das Gedächtnis verloren zu haben. Es steht aber fest, dass das Opfer ein gewisser Settskail war, ein Mann, der Joe Moore einmal eine gute Stellung angeboten hatte, sein Angebot aber zurückzog, als er hörte, dass Moore vorbestraft sei. Moore war also bestimmt nicht sonderlich gut auf diesen Settskail zu sprechen. Setzen Sie mal alle diese Mosaiksteinchen zusammen. Was glauben Sie, was Sie für ein Bild dabei erhalten?«
Margy Moore hatte die Augen weit geöffnet. Dann sagte sie tonlos: »Mein Gott, so schlimm sieht es aus? Das wusste ich noch gar nicht. Du lieber Himmel, dann spricht ja alles gegen Joe! Aber er war es doch nicht! Es muss sich doch noch beweisen lassen, was nichts anderes als die Wahrheit ist?«
Ich zuckte die Achseln.
»Ich habe es Ihrem Gatten schon gesagt, und ich sage es Ihnen: Wir sind nicht voreingenommen und wir haben nicht die Absicht, irgendjemand irgendetwas anzuhängen. Wenn Ihr Mann unschuldig wäre, sollte es mich freuen. Schon Ihretwegen. Aber das müssen wir erst einmal beweisen können!«
Margy Moore versuchte, die Kluge zu spielen.
»Das ist ja gar nicht wahr!«, behauptete sie. »Das Gericht muss die Schuld des Angeklagten beweisen, nicht er seine Unschuld!«
»Kleiner Irrtum«, bemerkte ich. »Nicht das Gericht muss die Schuld des Angeklagten beweisen, sondern der Anklagevertreter.«
»Das ist kein wesentlicher Unterschied«, meinte Margy Moore. »Es steht jedenfalls fest, dass der Angeklagte nicht verpflichtet ist, seine Unschuld zu beweisen.«
»Darin haben Sie zweifellos recht. Er braucht seine Unschuld nicht zu beweisen. Solange man ihm seine Schuld nicht beweisen kann, hat er das nicht einmal nötig. Aber in unserem Fall beweisen die Indizien seine Schuld! Verstehen Sie denn das nicht? Der Schuldbeweis ist so gut wie erbracht! Die Indizien belasten ihn viel zu schwer, als dass man bei den Geschworenen den Spruch Unschuldig’ erwarten könnte! Und da das nun einmal so ist, kann ihm nur noch eines helfen: der Beweis seiner Unschuld. Ein solcher Beweis wäre ja auch gleichzeitig der Beweis dafür, dass die Indizien trügen. Aber wie, Mrs. Moore, wie soll ich die Unschuld eines Mannes beweisen, der sein Gedächtnis verloren hat? Das behauptet er doch! Aber selbst unsere Ärzte können darüber noch kein endgültiges Urteil abgeben. Spielt er nun den Mann mit Gedächtnisschwund - oder ist er’s wirklich?«
Margy Moore hatte mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört. Jetzt sagte sie auf einmal völlig überraschend: »Ich glaube, ich habe Ihnen unrecht getan. Entschuldigen Sie. Darf ich meinen Mann besuchen?«
»Sicher. Ich schreibe Ihnen die Besuchserlaubnis aus. Augenblick.«
Während ich ihr den Vordruck ausfüllte, unterhielt sich Phil weiter mit ihr, wurde aber plötzlich hellhörig, als mir der angefangene Satz ins Bewusstsein drang: »… wussten Sie denn schon, noch bevor wir bei Ihnen gewesen waren, dass man Ihren Mann verhaftet hatte? Ich erinnere mich, dass Sie ›Also doch!‹ ausriefen, als wir Ihnen die Verhaftung Ihres Gatten mitteilten, nicht wahr?«
Ich sah auf. Phil hatte es gefragt, und plötzlich fiel auch mir dieser kurze Ausruf von damals wieder ein. Warum hatten wir eigentlich in der vergangenen Woche nicht gleich dabei eingehakt? Wieso hatten wir das eigentlich übersehen? Ich wusste es selbst nicht mehr, und die einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist der Umstand, dass uns die Frau von vornherein leidtat.
»Walter hatte es doch gesagt«, sagte die Frau mit gesenktem Kopf.
»Wer ist Walter?«, fuhr ich dazwischen.
»Ein Mann, den ich vor zehn Jahren einmal kurze Zeit kannte. Durch ihn lernte ich meinen Mann kennen.«
»Und dieser
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