0136 - Falsche Spuren - echte Mörder
gebrauchten. Ich weiß, dass ein geschickter und kräftiger Mann mit einer solchen Peitsche auf einen Schlag ein Kalb töten kann.«
Seine Stimme hatte so ruhig geklungen, als hätte er uns die Vorzüge eines neuen Schuhmodells aus einer seiner Fabriken erklärt. Aber irgendetwas war an ihm, das einem die Haare zu Berge steigen ließ.
Phil schoss jäh aus seinem Sessel hoch.
»Was haben Sie vor?«, rief er.
Van Goren lächelte. Es war das Lächeln eines Menschenverächters.
»Ich nehme an, Sie möchten die drei Mädchen, oder vier oder wie viel es nun sein mögen, also ich nehme an, dass Sie, sie so früh wie möglich finden möchten. Aber Sie sind auf die Aussage meines Sohnes angewiesen. Nun, ich glaube, ein G-man hat bestimmte Dienstvorschriften. Gestatten Sie, Mister Decker: Ich habe keine Dienstvorschriften.«
»Aber Sie werden doch nicht…«, rief Phil erregt.
»Halten Sie den Mund, junger Mann«, sagte van Goren, ohne die Stimme auch nur um eine Nuance zu heben. »Ich werde mit meinem Sohn sprechen, und Sie werden mich daran nicht hindern.«
Ich gab Phil einen Wink. Er setzte sich wieder, mit verbissenem Gesicht. So einfach würde es Herr van Goren nun doch nicht haben. Wenn er uns ein Verhör abnehmen wollte - nun gut. Mit welchen Mitteln er das tat - nun, solange ich dabei war, würde das nicht nur von ihm abhängen.
***
Wir warteten schweigend. Es mochten vielleicht vier oder fünf Minuten vergangen sein, als der Butler wieder erschien und die Tür aufhielt.
Ein bleicher Mann trat ein, dessen Alter sich nicht schätzen ließ. Es mochte bei fünfundzwanzig, es konnte auch bei fünfunddreißig liegen. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Die Haut hatte eine schlaffe, ungesunde Beschaffenheit. Er kam rasch heran und räusperte sich.
»Jean«, sagte der Alte, »schließen Sie die Tür von innen ab.«
»Sehr wohl.«
Der Sohn wich erschrocken einen Schritt zurück. Der Alte stand jetzt 50 breitbeinig mitten im Raum, von seiner rechten Hand ringelte sich die lange Peitsche in vielen Windungen auf dem Boden. Die ganze Szene wirkte so grotesk, so unwirklich, dass ich für einen Augenblick zu träumen glaubte.
Dann aber riss mich die scharfe Stimme des Alten aus meinen Gedanken.
»In New York sind in den letzten Wochen einige Mädchen verschwunden«, sagte er. »Du wirst vom FBI aufgrund zwingender Beweise damit in Verbindung gebracht. Eines dieser Mädchen ist ermordet worden. Es wundert mich keineswegs, dich auch schon in der Gesellschaft von Mördern zu finden. Ich habe dir das ja schon vor einigen Jahren vorausgesagt. Aber du siehst wohl, was ich in der Hand habe. Bei Gott, Junge, ich rate dir, meine Fragen zu beantworten. Sonst peitsche ich dir dein Fell von deiner verkommenen Seele herunter.«
Van Goren senior hatte es so gleichgültig gesagt, wie seine ganze Tonart bisher gewesen war. Vielleicht wirkte es darum umso schauerlicher.
Der Junge stieß einen Schrei aus und rannte zur Tür. Der Butler stand davor und rührte sich nicht.
»Stehenbleiben!«, sagte der Alte.
Der Junge stand wie vom Schlag gerührt. Noch hing der rechte Arm des Alten reglos herab, aber die Peitsche hatte schon einmal kurz gezuckt, als sei sie ein lebendiges Wesen, in dem eine verborgene Energie ruhe.
»In wessen Auftrag hast du gehandelt?«
»Ich…«
Der Junge wand sich verzweifelt. Der Alte hob langsam nach hinten ausholend den rechten Arm.
»Nein!«, brüllte der Junge. »Ich sag’s ja. Tom Hayler heißt der Mann! Tom Hayler.«
Phil hatte bereits sein Notizbuch in der Hand und schrieb eifrig.
»Beschreibe genau, was du für diesen Mann tun musstest!«, verlangte der Alte.
»Ich… ich sollte nette Mädchen ausfindig machen, die keine Angehörigen haben!«
»Wie viel solche Mädchen hast du ausfindig gemacht?«
»Neun«, kam die Antwort gesenkten Kopfes.
»Und? Was passierte mit den Mädchen?«
»Ich weiß es nicht genau. Ich glaube, sie wurden nach Südamerika verkauft.«
Das verschlug selbst dem Alten einen Augenblick die Sprache. Dann aber kam seine Stimme wieder, aber diesmal ganz leise.
»Du beteiligst dich am Menschenhandel. Das ist unfassbar. Das ist einfach unfassbar. Es ist das Letzte, was ich von dir erwartet hätte. Du bist alt genug, dass du wissen musst, was für ein Schicksal diesen Mädchen bevorsteht. Trotzdem hast du bei so etwas unsagbar Gemeinem mitgemacht. Du wirst dieses Haus hier nie wieder betreten oder - ich schwöre es bei Gott! - ich werde dich eigenhändig mit der
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