014 - Die Insel der wandelnden Toten
Weise sie das Treiben der Greise beobachten konnte, noch warum sie ihnen helfen wollte.
Insgesamt waren sie etwa eine Stunde unterwegs gewesen, ehe sie endlich ins Freie kamen. Es war bereits Morgen. Die Sonne tauchte aus dem Meer auf, als sie zwischen Sträuchern den unterirdischen Gang verließen. Sie befanden sich im Atrium eines modernen einstöckigen Hauses.
»Hier wohne ich«, sagte Valiora. »Ihr seid sicher hungrig. Ich bin zwar keine besonders gute Köchin, aber für Schinken mit Ei reichen meine Künste.«
Sie redete und benahm sich wie ein gewöhnlicher Mensch. Nichts erinnerte daran, daß sie eine Dämonin war – oder eine von einem Dämon Besessene. Dorian fragte sich, ob sie mit der jungen Frau identisch war, die Seeleute zur Teufelsinsel lockte und sie dann durch Berührung in Untote verwandelte. Wenn man sie so ansah, konnte man das nicht glauben.
Dorian erinnerte sich auch an Olivaros Rat, der gesagt hatte, er solle Valiora sofort töten. Nun, Gelegenheit dazu hatte der Dämonenkiller genug gehabt, aber er brachte es einfach nicht über sich. Er wäre sich wie ein gemeiner, feiger Mörder vorgekommen.
Valiora geleitete sie in einen modern eingerichteten Wohnraum und verschwand selbst in der Küche.
»Was meinen Sie, Hunter, können wir ihr trauen?« fragte Gianni sofort.
»Warum sollte sie uns jetzt verraten, nachdem sie uns gerade das Leben gerettet hat?« erwiderte Dorian. »Ich glaube, daß wir für den Augenblick in Sicherheit sind.«
Sie sahen sich um. Die Einrichtung unterschied sich durch nichts von der Einrichtung anderer Häuser, in denen Menschen lebten. Und Valiora – war sie etwa kein Mensch? Doch. Sie war eine ganz normale junge Frau. Aber sie hatte ein furchtbares Geheimnis, und das mußte Dorian erst ergründen, bevor er sich über sie klarwerden konnte.
»Ein Fernrohr!« rief Gianni beim Rundgang durch die Wohnung begeistert aus.
Dorian kam zu ihm auf die Terrasse, von wo aus man einen hervorragenden Blick auf die Bucht mit dem Hafen und die Stadt hatte. Zwischen den Prunkbauten, die sich vom Strand den Hügel hinaufzogen, waren prachtvolle Grünanlagen, durch die sich Straßen wanden. Menschen trieben sich darauf herum, und ein paar Autos waren zu sehen, die in gemächlichem Tempo die Straßen entlangfuhren. Nichts deutete darauf hin, daß dies ein Nest der Dämonen war. Es hätte sich auch um eine Stadt an der Cote d'Azur, der italienischen Riviera oder an der Küste Siziliens handeln können. Im Hafen lagen über ein Dutzend Luxusjachten vor Anker; etwas weiter draußen schwamm ein Hochseefrachter, der wahrscheinlich zu Chalkiris' Handelsflotte gehörte. Noch weiter draußen, fast schon auf dem offenen Meer, kreuzten zwei Schnellboote. Auf den ersten Blick konnte man nichts Verdächtiges erkennen, aber wenn man die Szene durch das Fernrohr betrachtete, merkte man die feinen Unterschiede zu anderen Küstenstädtchen.
»Das ist tatsächlich eine Festung«, stellte Gianni fest, der durch das Fernrohr blickte. »Rund um die Siedlung ist ein Stacheldrahtzaun gezogen. Bis an die Zähne bewaffnete Wachposten stehen dort. Wahrscheinlich hat man auch Minen gelegt. Und außerhalb des Hafens kreuzen Kanonenboote. Sehen Sie sich das einmal an, Hunter!«
Dorian überzeugte sich davon, daß Gianni in keinem Punkt übertrieben hatte. Er stellte zusätzlich noch fest, daß die Wachposten Untote waren, die man mit konventionellen Waffen nicht töten konnte.
»Weg von der Terrasse!« rief Valiora in ihrem Rücken. »Wenn man Sie hier entdeckt, sind Sie verloren.«
Dorian wandte sich um. Der verführerische Duft von Kaffee, Eiern und gebratenem Speck stieg ihm in die Nase. Sie stellte das Tablett auf dem Eßtisch ab, und Dorian und Gianni stürzten sich wie ausgehungerte Wölfe darauf. In wenigen Minuten hatten sie alles verputzt. Satt, zufrieden und müde lehnten sie sich in den Sesseln zurück.
»Sie können sich ausruhen«, sagte Valiora. »Hier wird Sie niemand finden.«
»Das ist zwar ein sehr verlockendes Angebot, aber wir sind hier nicht auf Urlaub«, sagte Gianni herzhaft gähnend. »Wir haben heute abend noch viel vor und müssen daher fit sein.«
»Eben«, sagte Valiora. »Deshalb sollten Sie sich ausruhen. Ich werde Sie noch vor Einbruch der Dunkelheit wecken.«
Dorian fielen die Augen zu. Sein letzter Gedanke, bevor er einschlief war, daß sie ihnen irgendein Schlafmittel in den Kaffee gegeben hatte. Oder hatte sie sie verhext?
Dorian befand sich in einem Zustand
Weitere Kostenlose Bücher