0140 - Der Dybbuk
wollen.«
»Dann kriegen wir ihn«, knurrte Simon. »Ich rufe sämtliche Ärzte in der Umgebung an. Sie sollen sich sofort melden, wenn Loew - Nicole Duval auftaucht. Dann haben wir ihn.«
»In der Zwischenzeit«, sagte Lynn spröde, »können wir etwas anderes tun. Wir sollten uns um diesen Zamorra kümmern.«
Patrik nickte. »Das ist eine gute Idee. Komm, Schwesterchen, wir begeben uns an die Arbeit.«
***
Simon Casters Schlag war nicht zu hart gewesen. Gerade in dem Augenblick, in dem Simon den Toten verschwinden ließ, erwachte Bill Fleming wieder aus seiner Bewußtlosigkeit. Unwillkürlich stöhnte er auf und tastete nach der schmerzenden Stelle am Kopf, wo ihn die Faust des Dämons getroffen hatte. Die Berührung tat höllisch weh. Als der Historiker sich benommen erhob, tanzten schwarze Flecke vor seinen Augen.
»Simon«, murmelte er. »Warum hast du das getan?«
Schwankend wie ein Halm im Wind stand er dann im Zimmer. Er überlegte. Konnte es sein, daß Simon, sein College-Gefährte, ebenfalls besessen war? Warum sonst sollte er seinen Freund niedergeschlagen haben?
Bill entsann sich, wonach ihn Simon gefragt hatte. Nach Zamorra.
Zamorra!
Zamorra lag niedergestreckt in Nicoles Zimmer, und Nicole…?
Bill rang mit sich. Dann aber entschloß er sich, es erneut zu versuchen, Zamorra zu helfen. Er konnte nur hoffen, daß der Dybbuk nicht erneut einen magischen Angriff startete.
Bill Fleming trat auf den kleinen Korridor hinaus. Seine Schwäche ließ nach, die rasenden Schmerzen blieben. Überrascht registrierte er, daß die Eingangstür breit geöffnet und das Schloß zerschmolzen war. Und auf dem Bodenbelag - Blut!
Die Blutspur begann vor Nicoles Zimmertür und führte nach draußen!
Bills Stirn furchte sich. Er blieb vor der Zimmertür stehen, zögerte. Was war, wenn…
Doch dann stieß er sie auf.
Nicole - und damit auch der Dybbuk in ihr - war verschwunden!
Nur Zamorra lag nach wie vor am Boden, mit einer Gardinenschnur gefesselt. Er war bewußtlos. Das Amulett war verschwunden. Offensichtlich hatte der Dybbuk es an sich genommen. Er mußte gegen die dämonenvernichtende Kraft immun sein.
Bill kniete neben dem Professor nieder und löste die Fesseln. Dann versuchte er, ihn wieder ins Bewußtsein zurückzurufen. Doch es gelang ihm nicht.
Plötzlich erklangen Schritte. Bill wandte den Kopf. Kam Simon zurück? Langsam erhob sich der Historiker und sah sich nach einem Gegenstand um, den er als Waffe verwenden konnte. Er fühlte sich einem Kampf nicht gewachsen. Er war zu sehr geschwächt.
Es waren zwei Personen, die sich näherten.
Und dann kamen sie herein, betraten das Zimmer.
»Nein«, stöhnte Bill unwillkürlich auf.
Zwei kleine Menschen, ein nackter Mann und eine Frau, die sich ein großes Tuch um den Körper gebunden hatte, standen ihm gegenüber! Aber sie waren keine Liliputaner, wie man sie gewohnt ist und bei denen überdimensionale Köpfe auf kleinen, verwachsenen Körpern sitzen. Hier paßte alles zusammen!
Schrumpf-Menschen!
Der Mann hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit Simon Caster. Ein Verwandter? Auch die Frau wies die gleichen Züge auf.
Bill begriff, daß sie Dämonen sein mußten. Keine Menschen, sondern Kreaturen des Schattenreichs, die nur darauf aus waren, sich skrupellos die Welt und die Menschen untertan zu machen, sie zu ihren finsteren Zwecken zu mißbrauchen.
Er wich zurück. Die beiden Dämonen starrten ihn an. Die Frau hob den Arm.
Etwas griff nach Bills Gehirn, schaltete sein Wachbewußtsein innerhalb von Sekundenbruchteilen aus. Sein Wille war gelähmt. Aus leeren Augen sah er die beiden Unheimlichen an.
Der kleine Mann kniete neben Zamorra nieder, legte kurz die Hand auf die Stirn des Professors und nickte zufrieden. Dann lud er sich den Bewußtlosen einfach über die Schulter und schlurfte mit ihm davon.
Bill wollte über die unbändige Kraft des Schrumpfmannes staunen, konnte es aber nicht. Die Frau winkte ihm zu, ihr zu folgen. Gehorsam setzte der Historiker sich in Bewegung und ging ihr nach. Er konnte einfach nichts anderes tun. Alles in ihm schrie danach, umzudrehen und davonzulaufen, doch er war nicht dazu in der Lage, den Gedanken in die Tat umzusetzen. Stumpfsinnig trottete er hinter der Dämonin her.
Sie traten ins Freie. Der Zwerg mit seiner schweren Last hatte bereits ein beachtliches Tempo vorgelegt und mußte in wenigen Augenblicken das Haupthaus erreichen.
In diesem Moment riß die Wolkendecke auf. Gleißendes Mondlicht brach hervor
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