015 - Der Moloch
Doris und Clerici waren alle auf der Plicht versammelt.
»Das hat doch alles keinen Sinn«, sagte Fabienne niedergeschlagen. »Es ist wie verhext, daß niemand auf unsere Notsignale reagiert.«
»Nur nicht den Kopf hängen lassen«, meinte Dorian und feuerte eine rote Leuchtrakete ab. Sie schoß mit einem Feuerschweif in den Nachthimmel. Ihr roter Schein hüllte die Jacht in gespenstisches Licht. Dorian betrachtete die Männer und Mädchen, die mit großen Augen zu der grellen Lichtquelle hinaufsahen. Irgendwie hatte er das Gefühl, daß sich etwas verändert hatte; er konnte aber bei keinem etwas Verdächtiges bemerken, und so war es ihm auch nicht möglich zu sagen, ob die Veränderung alle betraf. Er war aber sicher, daß zumindest Gloria, Rosi und Eleonora nicht mehr sie selbst waren. Die unheimliche Atmosphäre mußte wohl ihnen zuzuschreiben sein.
Er hatte sich mit Jeff Parker und Vali abgesprochen. Jeff war schockiert gewesen und hatte Dorians Methoden abgelehnt. Auf seine Mithilfe mußte verzichtet werden. Aber mit Vali konnte Dorian rechnen; sie war bereit, ihn in jeder Beziehung zu unterstützen.
»Ich habe mich schon damit abgefunden, daß wir so lange kreuzen, bis die Treibstofftanks leer sind«, bemerkte Fabienne. »Ich finde, wir sollten nicht länger Trübsal blasen und das Beste aus unserer Lage machen.«
»Das meine ich auch«, sagte Rosi und schnalzte mit den Fingern. »Amüsieren wir uns! Geronimo, hol deine Gitarre!«
Dorian blickte zu Gloria. Noch vor einer Stunde hätte sie sich kein Lächeln abringen können, jetzt ließ sie sich von Rosi anstecken und wiegte sich in den Hüften.
»Ja, Geronimo, mach ein bißchen Musik!« forderte sie.
»Wenn ihr wollt.«
Die Mädchen zerrten ihn lachend aus dem Liegestuhl und schubsten ihn die Treppe hinunter. Es dauerte nicht lange, da kam er mit seiner Gitarre wieder.
»Einen Flamenco! Rosi soll ihre Spezialität zeigen.«
Der Tisch wurde abgeräumt.
»Los, Hunter, helfen Sie uns, die Gasflaschen wegzuräumen!« verlangte Lisbeth. »Wir brauchen sie ohnehin nicht mehr.«
Dorian und Geronimo trugen die schweren Gasflaschen beiseite. Die 25 Liter-Flasche mit den Schultergurten nahm Dorian an sich und spielte damit herum. Vali und Jeff kamen mit Tabletts an Deck, auf denen sich Brötchen türmten.
»Was ist denn hier los?« wunderte sich Vali. »Es scheint fast so, als wolltet ihr ein Fest feiern.«
»Erraten!« rief Gloria.
Vali wollte das Tablett auf den Tisch stellen, aber Eleonora wehrte ab. »Nicht dort hin! Das ist Rosis Parkett. Stell die Brötchen auf den Boden! Wer denkt denn jetzt ans Essen?«
Dorian bemerkte, daß Geronimo nach und nach alle elektrischen Kontakte entfernt und die Drähte zusammengerollt hatte. Nur noch zwei der Kabel mit den Isolationsgriffen, die direkt an den Generator angeschlossen waren, führten Strom. Sie lagen zusammengerollt neben dem Aufgang zum Ruderhaus. War es Zufall oder Absicht, daß den beiden Kabeln niemand zu nahe kam?
Geronimo griff in die Saiten. Rosi sprang auf den Tisch und stampfte auf.
»Ich finde, Gloria und Eleonora sollten Rosi Gesellschaft leisten«, rief Dorian.
»Ja«, stimmte Vali zu. »Nachdem ihr euch so in die Wolle gekriegt habt, solltet ihr die Versöhnung ordentlich begehen.«
Fast alle stimmten begeistert zu. Nur Parker, der Dorians Absicht kannte, versuchte die drei Mädchen auseinander zu halten.
»Miesmacher!« sagte Gloria und stieß Parker vor die Brust, der sie am Arm vom Tisch wegziehen wollte.
»Partybremse«, meinte Eleonora lachend und schob ihn aus dem Weg.
»Eßt!« forderte Vali die anderen auf.
Jetzt standen alle drei Frauen auf dem Tisch. Eleonora und Gloria ahmten Rosis Haltung nach, die die Arme angewinkelt hatte, den einen in Hüfthöhe, den anderen über dem Kopf.
Als Geronimo zu spielen begann, stampfte Rosi auf, ließ ihre Finger schnalzen und drehte sich mit kurzen, knallenden Steppschritten im Kreis. Eleonora und Gloria schauten ihr jede Bewegung ab und versuchten, es ihr gleichzumachen.
Parkers Blick pendelte unruhig zwischen ihnen und Dorian hin und her. Er sah, wie sein Freund mit dem Gasschlauch spielte. Niemand achtete darauf.
Rosi begann mit rhythmischen Bewegungen ihr Kleid zu öffnen. Eleonora und Gloria machten es ihr nach, wenn auch nicht so gekonnt.
Dorian dachte: Eine günstige Gelegenheit für die drei Dämonen, die Kleider abzulegen. In der Kombüse hatten sich die Kleider nicht gefunden, also mußten die Ungeheuer sie tragen.
Vali
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