015 - Der Schatz des Poseidon
ist noch so ein Klotz!«, stellte Hakan fest, indem er nach oben deutete.
Cengiz musterte den in der Gangdecke steckenden Felsbrocken kritisch und stieß probehalber mit dem Spaten dagegen. Dann erklärte er: »Kein Problem, der sitzt fest! Aber trotzdem aufpassen!«
Nach einer weiteren Stunde warf Hakan erschöpft die Spitzhacke beiseite und setzte sich auf den Boden. »Ich brauche eine Pause«, bekannte er.
»Nicht jetzt!« Cengiz schüttelte entschieden den Kopf. »Wir müssen bald durch sein! Also auf, auf!«
Seufzend befolgte Hakan den Befehl und begann erneut mit der Beseitigung des Gemenges. Und diesmal hatte er noch keine zehn Schläge getan, als die Hacke plötzlich durch das Geröll hindurch stieß.
Cengiz hatte recht gehabt: Es war nur ein wenige Meter dicker ›Pfropfen‹ aus Steinen und Erde, der sich im Laufe der Zeit hier gebildet hatte.
Dahinter war der Gang frei!
Sie verdoppelten ihre Anstrengungen und es dauerte nicht lange, bis sie so viel von dem Geröll weggeräumt hatten, dass sogar Cengiz ohne große Probleme hindurch kriechen konnte – nachdem er Hakan vorausgeschickt hatte.
Hinter dem Pfropfen war der Weg tatsächlich frei. Der Gang maß etwa anderthalb Meter in der Breite und zwei in der Höhe, so dass die beiden zum ersten mal, seit sie sich in den Untergrund gewagt hatten, aufrecht stehen konnten. Die Länge des Ganges konnten sie nicht feststellen, da er leicht gekrümmt verlief, weshalb sie nur etwa sechs oder acht Meter weit sehen konnten.
Beinahe ehrfürchtig betrachtete Hakan den uralten Gang, in dem sie nun standen. Er war offensichtlich einst aus dem massiven Fels herausgeschnitten worden – aber mit welchen Werkzeugen? Hakan wusste nicht viel über Geschichte, nur das, was man eben nicht umhin kam zu lernen, wenn man in unmittelbarer Nähe eines Ortes wie Troja geboren und aufgewachsen war. Doch wie dieser Gang mit den glatten Wänden ohne moderne Werkzeuge, ohne lasergesteuerte Bergbaumaschinen erbaut worden sein sollte, das überstieg sein Vorstellungsvermögen. Lediglich die Decke war etwas uneben, so, als wäre sie dem Konstrukteur nicht weiter wichtig gewesen.
Oder als wäre der Gang nicht ganz fertig geworden.
Die Schritte der beiden so unterschiedlichen Männer hallten dumpf, als sie sich in Bewegung setzten. Sie mochten zwanzig Meter seit dem Pfropfen zurückgelegt haben, als sich der Gang plötzlich weitete und kurz darauf in eine Art kleine Halle mündete, kreisrund, mit einem Durchmesser von acht oder neun Metern. Auch die Decke trat nach oben zurück und bildete ein halbkugelförmiges Dach über der Halle. Und in der Decke …
Sterne!
Staunend blieb Hakan stehen und sah nach oben. Was hatte sein Großvater damals gesagt? Phantasiert?
»Sterne … tief unten … alles voller Sterne!«
Die beiden Männer standen am Eingang zur Halle, die Köpfe nach oben gewandt, so dass die Helmscheinwerfer die Kuppel beleuchteten und starrten sie mit offenem Mund an. Sie war von dunkelblauer Grundfarbe und auf dieser waren im grellen Scheinwerferlicht golden glänzende Sterne zu sehen, kleine und große; Tausende – oder vielleicht sogar Zehntausende!
Instinktiv versuchte Hakan, einige bekannte Sternbilder zu identifizieren, doch es gelang ihm nicht, obwohl die Sterne nicht regelmäßig über die Kuppel verteilt waren. Sie bildeten durchaus so etwas wie Konstellationen, aber eben keine ihm bekannten.
Cengiz’ Gedanken waren eindeutig profanerer Natur. »Eine Sensation!« Er schlug seinem jungen Begleiter übermütig auf die Schulter. »Das wird uns beide zu Millionären machen, jede Wette! Und sieh erst mal dort!«
Hakans Blick folgte dem ausgestreckten Arm des Raubgräbers – und fiel auf ein Tor, das in der gegenüberliegenden, gerundeten Wand eingelassen war.
Ein steinernes Tor, etwa zwei Meter breit und ebenso hoch – und genau wie die Kuppel war es mit goldenen Sternen verziert, wenn hier auch die blaue Grundfarbe fehlte.
»Das Sternentor!«, rief Cengiz aus.
»Das Sternentor?«, fragte Hakan verblüfft.
»Ja, so wird man es nennen! Verstehst du nicht? In Mykene gibt es ein ›Löwentor‹; man hat es so nach den beiden Löwen benannt, die darüber als Relief abgebildet sind! Dieses Tor hier wird man einmal das ›Sternentor‹ nennen, eben wegen der Sterne!«
Hakan hatte noch nie etwas von einem Ort namens Mykene gehört, aber Cengiz’ Erklärung leuchtete ihm ein. Und er erkannte, dass seine gewagtesten Hoffnungen noch weit übertroffen worden
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