0152 - Der Gigant von Atlantis
Themse nicht zu. Wir waren mit dem Bentley gefahren, hatten den Wagen oberhalb der »Banks« abgestellt und waren den letzten Rest gelaufen. Niemand hielt sich bei der Kälte und um diese Zeit hier auf. Wir waren die einzigen. Aber ich sah keine Spur von dem Monster aus Atlantis.
Ich hauchte in meine klammen Hände. Der Atem dampfte. Ich ärgerte mich, daß ich die Handschuhe zu Hause gelassen hatte. Das erwies sich nun als Fehler.
Wir blieben am Ufer stehen. Bisher hatte sich Myxin ausgeschwiegen. Auch jetzt sagte er noch nichts. Unsere Blicke glitten über die fast schwarze Wasserfläche, wo nur hin und wieder ein ferner Lichtschein einen Reflex auslöste. Suko war ein Stück zur Seite gegangen. Auch er suchte dieses Monster, und wir kamen uns bald vor wie Touristen, die unbedingt das Ungeheuer von Loch Ness entdecken wollten.
»Wie können wir Chiimal denn besiegen?« fragte ich den kleinen Magier.
»Wir überhaupt nicht.«
»Wieso?«
»Nein, John Sinclair, du schaffst es nicht. Kara wird es versuchen. Gemeinsam mit dem Eisernen Engel.«
»Sag endlich genau, wer der Eiserne Engel ist.«
»Der Eiserne Engel war der Hüter der Gerechten. Im alten Atlantis traf man überall auf seine Bilder oder seine Statuen. Er bekämpfte das Böse und war ein Bindeglied zwischen den Priestern der Weißen Magie und den jenseitigen Welten. Kara kennt ihn gut, sie hat des öfteren mit ihm zu tun und hat ihn auf ihren langen Ausflügen mehrmals getroffen. Der Eiserne Engel wird uns zur Seite stehen.«
Myxin sprach diese ungeheure Tatsache schlicht und einfach aus, aber begreifen konnte ich sie trotzdem nicht. Ich blickte weiterhin über die Wasserfläche, da der kleine Magier keine Erklärungen mehr gab. Schiffsverkehr herrschte schon längst nicht mehr. Wer jetzt noch über den Fluß fuhr, hatte bestimmt Finsteres im Sinn.
Die Polizeiboote hatten Order erhalten, die Stelle zwischen den beiden Brücken zu meiden. Sie hielten sich auch zurück. Und wir warteten.
Von Kara, der Schönen aus dem Totenreich und Myxins Gefährtin, hatten wir nichts gesehen. Aber sie konnte ihren Geist vom Körper lösen, um in anderen Dimensionen zu forschen. Eine wirklich fantastische Fähigkeit.
Myxin streckte seinen Arm aus. Wie auf Kommando blickten Suko und ich auf die gezeigte Richtung. Dort begann das Wasser zu brodeln. Mir kam es vor, als würde jemand vom Grund des Flusses her mit gewaltigen Händen Dreck, Schlamm, Schlick und wer weiß was aufschaufeln und in die Höhe treiben. Eine braunschwarze Brühe, die quirlte und schäumte, gischtete und Blasen warf, wobei lange Wellen ans Ufer klatschten und dort die dünne Eisschicht zerbrachen. »Er kommt«, sagte Myxin nur.
Gebannt starrten wir auf das Wasser. Ich fragte gar nicht danach, wie es möglich war, daß der Gigant so plötzlich aus der Themse auftauchte, doch für ein solches Ungeheuer waren Entfernungen und Ortswechsel kein Problem. Es war einfach da.
Dann sahen wir ihn. Der gewaltige Schädel mit dem Kranz aus Hörnern und dem nach oben gebogenen mittleren Horn erschien wie Phönix aus der Asche. Dunkelrot glühten die Augen, ein unheiliges Feuer brannte in ihnen, das auch von dem Wasser nicht gelöscht werden konnte, das am Schädel des Monsters herabrann.
Mein Herz klopfte schneller. Die Umgebung sah ich nicht mehr, ich konzentrierte mich voll und ganz auf das Monster, das zu mitternächtlicher Stunde aus den Fluten der Themse stieg, seinen Schädel drehte, uns sah und langsam zum Ufer watete. Dorthin, wo wir standen. »Zurück!« rief Myxin.
Suko und ich folgten dieser Aufforderung sofort, während der kleine Magier noch stehenblieb, beide Arme hob und die Hände wie einen Trichter zu beiden Seiten des Mundes legte. Was hatte er vor?
Zwei Sekunden später erhielten wir die Antwort. »Kara!« rief er, und sein Ruf schallte über das Wasser. »Kara, deine Zeit ist gekommen!«
Dann wurde es auch für ihn Zeit. Myxin drehte sich um und lief auf den Uferhang zu, wo wir warteten. Wo steckte Kara?
Ich schaute aufs Wasser, weil ich damit rechnete, daß sie dort erscheinen würde. Aber ich hatte mich getäuscht. Kara erschien in der Luft, hoch über dem Wasser. Und mit ihr der Eiserne Engel!
***
Zuerst war es nur eine schwache Lichterscheinung, die sich jedoch deutlich von der Dunkelheit der Nacht abhob. Das Licht tanzte hin und her, wurde zu einem Streifen, und im nächsten Augenblick hörten wir Karas Stimme. »Seht nach rechts!«
Unsere Köpfe folgten dem Befehl wie an
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