0152 - Der Gigant von Atlantis
Gott«, flüsterte er und schüttelte den Kopf. »Das ist ja der reine Wahnsinn.«
»Wem sagen Sie das.«
»Und jetzt?«
Die Frage hatten wir uns auch gestellt. Eine Antwort wußte ich nicht, sondern erkundigte mich, ob er das Dorf hatte evakuieren lassen.
»Nein. Wenn ich ehrlich sein soll, bis Canta bin ich gar nicht gefahren. Ich – ich…« Er hob die Schultern. »Ich konnte einfach nicht glauben, daß dieses Monster freikommen würde. Tut mir leid…«
»Schon gut. Wir wollen hoffen, daß es Ihr Dorf verschont.«
»Aber wo kann es sein?«
Auf diese Frage wußte niemand eine Antwort. Wir zogen uns die Mäntel über und setzten uns in den Jeep. Bis Canta fuhr El Jefe.
Als wir den Ort erreichten, war es tiefe Nacht.
»Wollen Sie übernachten oder sofort wieder nach Lima zurück?« fragte uns Hunter.
Wir entschieden uns für Schlaf. Es hatte keinen Sinn, bei Dunkelheit die Strecke zu fahren.
Ausgeruht würde es besser klappen.
In seinem Haus war genügend Platz vorhanden. Mike Hunter stellte uns zwei Feldbetten zur Verfügung.
Wir schliefen wie Tote.
Und trotzdem wurde ich von wilden Träumen geplagt. Chiimal ging mir nicht aus dem Sinn. Ich sah ihn in meinen Träumen durch die Luft fliegen, und auf seinem Rücken hockte der junge Krieger mit seiner Lanze, die er immer nach mir schleuderte. Der Traum bewies, daß der Fall des Giganten aus Atlantis noch längst nicht ausgestanden war. Damit sollte ich recht behalten…
***
London!
Klirrende Kälte, ein strahlend blauer Winterhimmel, der langsam grau wurde.
So präsentierte sich das Wetter am Großflughafen Heathrow. Wir hatten einen langen Flug hinter uns, dabei viel geschlafen und auch über Chiimal geredet.
Beide waren wir zu der Überzeugung gelangt, daß dieses Ungeheuer auftauchen würde. Wir waren Zeugen, hatten es genau gesehen, und wahrscheinlich würde es sich an uns rächen. Chiimal in London – das durfte ich mir gar nicht vorstellen.
Wenn ich daran dachte, packte mich das Grausen. Das konnte zur Massenpanik führen.
Sir James, mein Chef, wußte Bescheid, daß wir eintrafen. Er hatte uns einen Wagen zum Airport geschickt. Auf dem schnellsten Weg brachte der uns zum Yard Building. Ich war nicht einmal dazu gekommen, mich umzuziehen. Unsere Kleidung hatten wir nur notdürftig gereinigt. Gern ging ich nicht zu Powell, denn wir mußten eine Niederlage eingestehen, so etwas wurmt immer.
Der alte Stratege stand nicht auf, als wir sein Büro betraten. Er schaute uns nur an. So lange, bis wir Platz genommen hatten. Dann sagte er: »Wieder eine Niederlage!« Die Worte klangen ätzend. Das sollten sie auch sein und sich wie eine Säure in mein Innerstes fressen, denn in erster Linie machte der Alte mich für den Mißerfolg verantwortlich. »Und ich habe mal gedacht, ich hätte den besten Mann vom Yard. Haben Sie nicht mal von einer hundertprozentigen Aufklärungsquote gesprochen, Oberinspektor?«
»Ja«, erwiderte ich zerknirscht. »Ist aber schon lange her.«
»Genau. Zu lange.« Powell schüttelte den Kopf. »Es sieht trübe aus. Andere Abteilungen arbeiten effektiver.«
»Dann können wir ja dahin gehen«, sagte ich.
»Um denen die Statistik zu versauen?«
Verdammt, das war hart. Ich kochte innerlich und hätte am liebsten alles hingeschmissen.
»Wir haben wirklich getan, was wir konnten, Sir«, verteidigte Suko mich.
»Leider zu wenig.«
»Dieses Monster verbreitete eine uns unbekannte Magie«, fuhr der Chinese fort. »Wir hatten kein Gegenmittel und wären beinahe selbst draufgegangen.«
»Ja, ich weiß.« Sir James nahm die Brille ab und wischte über seine Augen. Auf einmal wirkte auch er ungeheuer müde. »Möchten Sie etwas trinken?« fragte er.
»Ho, so freigiebig?«
»Ja, ich weiß ja selbst, wie sehr wir unter Erfolgszwang stehen. Aber die verdammte Mordliga beunruhigt schon die höheren Kreise, obwohl bisher nicht viel passiert ist. Zum Glück.«
Ich trank einen Whisky. Suko nahm Saft, und wir sprachen über den Fall.
Sir James meinte: »Sie werden sich bestimmt auch Gedanken gemacht haben. Wie könnte dieses Monster reagieren?« Ich bewegte die rechte Hand und ließ die Flüssigkeit im Glas kreisen. »Wenn wir davon ausgehen, daß Chiimal uns als Zeugen und als Gegner ansieht, weil Suko das Monster mit der Dämonenpeitsche verletzt hat, müßten wir damit rechnen, daß es unter Umständen hier in London erscheint.«
Das war natürlich ein echter Schock, doch es gab keinen Grund, an den Tatsachen vorbeizureden.
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