0153 - Ich gegen den Höllenritter
es schon irgendwie schaffen, Pater. Einfach deshalb, weil ich es schaffen muß.«
James Corrigan nickte. »Viel Glück, Mr. Sinclair.«
»Danke.«
Der Pater rieb sich die Hände. »Tja, wenn niemand in diesem Haus ist, der meinen priesterlichen Trost benötigt, dann werde ich wieder gehen. Guten Abend. Gott sei mit Ihnen.«
Corrigan verließ Ray Waynes Haus. Und in mir war eine unangenehme Leere.
***
Richard Thaw griff nach seiner Stechuhr und erhob sich ächzend: »Liebe Güte, diese alten Knochen. Wenn, ich eine Weile sitze, kann ich fast nicht mehr aufstehen.«
Wallace Waterman lächelte. »Ja, man sollte nicht alt werden.«
»Ewig jung sollte man bleiben.«
»Das wäre nicht schlecht. Aber sei mal ehrlich, möchtest du auch ewig leben?«
Thaw dachte nach. »Das weiß ich nicht. Wenn man sich die wirtschaftliche Lage so ansieht — eine Benzinpreiserhöhung jagt die andere, alles wird ständig teurer, überall auf der Welt kriselt es… Atombomben, Neutronenbomben, Luftverpestung, Ölverschmutzung der Meere… Ich weiß wirklich nicht, ob es sich da lohnt, ewig zu leben, Wallace.«
Waterman nickte. »Da hast du leider recht.«
Die beiden Nachtwächter verließen den Aufenthaltsraum um ihre nächste Runde auf dem Gelände der Fenster- und Türenfabrik zu drehen. Es gab zahlreiche Punkte auf dem Areal, an denen sie zu bestimmten Zeiten erscheinen mußten. Da gab es dann einen Schlüssel, mit dem sie ihre Uhr stechen konnten — zum Beweis dafür, daß sie dagewesen waren.
Früher hatte diesen Job ein Mann gehabt.
Aber dann war es vor zwei Jahren zu einem Zwischenfall gekommen.
Nachts war eine Horde betrunkener Jugendlicher über die Fabrik hergefallen. Sie hatten den Nachtwächter gefesselt und geknebelt, hatten alles kurz und klein geschlagen und einen Brand gelegt.
Daß es kein Großbrand wurde, war einem abendlichen Spaziergänger zu verdanken gewesen, der den Radau, der auf dem Firmengelände geherrscht hatte, der Polizei gemeldet hätte.
Seither wachten zwei Nachtwächter.
Richard Thaw war dreiundfünfzig, dick und grauhaarig. Er liebte gutes Essen und kannte so ziemlich alle gängigen Abmagerungskuren, von der Punktediät bis zur Nulldiät. Er hatte in seinem Leben bereits vierhundert Kilogramm abgenommen, hatte aber das, was er sich mühsam heruntergehungert hatte, innerhalb, kürzester Zeit immer wieder hinaufgefuttert. Und heute war er soweit, daß er darauf pfiff, weniger Gewicht auf die Waage zu bringen. Er war eben so, wie er war, und wer sich daran stieß, der sollte ihm den Buckel runterrutschen.
Wallace Waterman war etwas größer und schlanker als sein Kollege, ohne jedoch dünn zu sein. Im vergangenen Monat hatte er seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert, und die Verwandtschaft war in sein Haus eingefallen wie eine Termitenplage und hatte alles kahlgefressen.
Scherzhaft hatte Waterman gesagt: »Mehrere solche Geburtstage würden mich in den Schuldturm bringen.«
Thaw stach zum erstenmal die Uhr.
Sie gingen weiter, hielten gewissenhaft die Augen offen. Die Firmenleitung hatte großes Vertrauen zu ihnen. Ein psychologischer Test hatte ergeben, daß sie für diesen Job bestens geeignet waren.
Auf dem riesigen Gelände gab es unzählige Holzstapel, die nacheinander verarbeitet und durch neue ersetzt wurden. Türen und Fenster befanden sich in einer großen Halle.
An einer der Laderampen öffnete Thaw ein Blechkästchen. Hier befand sich der zweite Schlüssel drinnen. Während ihn Richard Thaw herausnahm, rüttelte Wallace Waterman am Tor der Lagerhalle, um zu prüfen, ob noch abgeschlossen war.
Danach setzten sie ihren Weg fort. Thaw fröstelte. »Brrr!« machte er und schüttelte sich. »Kalt«
»Das muß ich von einem hören, der mir laufend vorschwärmt, wie herrlich es in den Gletscherregionen der österreichischen und der Schweizer Alpen ist?«
»Das ist eine andere Kälte. Die ist nicht so feucht wie hier in London. Die kriecht einem nicht so unverschämt unangenehm in die Kleider«, sagte Thaw.
Plötzlich stutzte er.
»Was ist los?« fragte Waterman. »Siehst du den Stoffetzen dort am Stacheldrahtzaun?«
»Verdammt, du hast Augen wie ein Falke, Richard.«
»Vor einer Stunde, als wir die vorhergehende Runde drehten, war der kleine Fetzen noch nicht da«, behauptete Thaw.
»Bist du sicher?«
»Denkst du, ich phantasiere?«
»Ist ja schon gut, ich glaub' dir ja.« Wallace Waterman blickte sich suchend um. Still und leer breitete sich das Areal vor ihm aus. Es gab
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