0156 - Myxins Entführung
Wolkenberge. Der Wind war wärmer geworden. Einige Sträucher entfalteten ihre ersten Knospen. Es gab keinen Zweifel, der Frühling war auf dem Vormarsch.
Rechts lag der Schießplatz, links von uns erstreckten sich Felder. Dahinter sah ich die Silhouette einiger Hochhäuser. Dort begannen die ersten Siedlungen.
Wir passierten einen im Graben stehenden, verrotteten Jeep, ein Radfahrer kam uns entgegen, und dann sagte Kara: »Halt«, weil rechts der Zaun begann.
Ich stoppte. »Und nun?«
»Wir müssen uns etwas in die Büsche schlagen und dabei dicht am Zaun entlanggehen.«
»Viel Vergnügen«, murmelte ich, stieg aus, öffnete die Kofferraumhaube und nahm das Schwert hervor. Mir war vorhin noch eingefallen, daß Suko ja die Dämonenpeitsche besaß.
Vielleicht klappte es mit Desteros Waffe.
Zudem wollte ich Suko und Sir James noch anrufen. Das war mir doch tatsächlich in dem ganzen Trubel durchgegangen. Meinen Chef rief ich zuerst an.
Der zeigte sich mal wieder sauer.
»Wo haben Sie sich eigentlich herumgetrieben?«
Ich preßte den Hörer des Autotelefons härter ans Ohr. »Ich habe beim ›Herumtreiben‹ einen Zombie erledigt und drei vom Teufel besessene Kinder.«
»Das hast sich bereits bis zu mir herumgesprochen. Nur hätten Sie schon längst in London sein können. Dieser… dieser Myxin ist entführt worden.«
»Das weiß ich und bin schon auf der Fährte.«
»Hm.« Mehr konnte er nicht sagen. Ich grinste und gab meinen Standort durch.
»Brauchen Sie Hilfe?«
»Nein, Sir. Bis jetzt nicht. Ich will trotzdem Suko noch Bescheid geben, damit er kommt. Es kann sein, daß ich die Dämonenpeitsche für eine Beschwörung brauche.«
»Machen Sie das. Wenn alles erledigt ist, sagen sie mir dann wieder Bescheid.«
»Geht in Ordnung, Sir.«
Kara, die neben der halboffenen Wagentür stand, zeigte sich ziemlich nervös.
Ich beruhigte sie und wählte dann die Nummer meines chinesischen Freundes.
Suko schien neben dem Apparat gestanden zu haben, denn er meldete sich sofort. »Hört man von dir auch mal was?« knurrte er mich an.
»Ja. Wieso?«
»Du scheinst neuerdings die Fälle im Alleingang zu lösen.«
»Entschuldige mal, ich war nur auf einer kleinen Feier in Wales.«
»Und was ist da passiert?«
»Erzähle ich dir später, genauer. Jetzt sei so gut und komm mit der Dämonenpeitsche her.«
»Nach Wales?«
»Nein.« Ich erklärte ihm, wo ich mich aufhielt. »Du wirst den Wagen ja sehen. Von dort führt ein schmaler Pfad in den Wald und genau zu der Hütte, von der Kara gesprochen hat«
»Geht in Ordnung.«
Wir marschierten los. Kara wollte unbedingt das Schwert tragen. Ich gab es ihr.
»Solche Waffen hatten wir auch in Atlantis«, sagte sie mir.
»Kannst du damit umgehen?«
»Sicher.«
Sie antwortete so spontan, daß ich ihr glaubte. Der Weg war ziemlich matschig und führte dann von dem umzäunten Gelände weg in den noch lichten Wald hinein.
Die Hütte, mehr ein kleines Blockhaus, war winzig. Schief hing die Tür in den Angeln, und als ich sie vorsichtig aufzog, erzeugte das knarrende Geräusch bei mir eine Gänsehaut.
Der eine Raum war leer.
Es gab nichts, was auf eine Bewohnbarkeit hindeutete. Nur ein paar Zigarettenkippen und Dosen in der Ecke machten mir klar, daß hin und wieder jemand in der Hütte Schutz suchte. Durch ein kleines Fenster fiel wenig Licht. Es erhellte den Raum nur spärlich.
Ich blieb in der Mitte stehen, drehte mich im Kreis und schaute mich um. »Hier habt ihr euch also aufgehalten.«
Kara schloß die Tür und nickte. »Ja, da hat uns wenigstens niemand gestört.«
»Hoffentlich lassen sie uns auch in Ruhe.«
»Bestimmt«
Ich hatte den Koffer zu Boden gestellt. »Wie fangen wir es an?« fragte ich.
»Am besten hältst du dich zurück. Ich werde versuchen, eine Verbindung zu schaffen.«
»Okay.« Ich trat zur Seite und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand, während Kara sich in die Mitte des Raumes hockte und das Schwert mit der flachen Seite auf die Oberschenkel legte.
Wenn ich daran dachte, daß es einmal Destero gehört hatte, freute ich mich diebisch, es ihm abgenommen zu haben.
Kara konzentrierte sich.
Diese Frau war wirklich ein Phänomen. Sie konnte ihre Seele vom Körper lösen und so die Dimensionen und die Reiche des Schreckens durchwandern, ohne daß ihr etwas zustieß.
So was fehlte mir auch noch.
Die Schöne aus dem Totenreich hielt ihre Augen halb geschlossen. Ihr Blick schien in unendliche Fernen gerichtet zu sein, erfaßte die
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