Torchwood 1: Ein anderes Leben (German Edition)
EINS
Du warst nie die Art von Soldat, die einen direkten Befehl missachtet. Das wird sich hier und jetzt ändern, während du dich an das abgewetzte, kalte Plastik des Lenkrads eines gestohlenen Wolf-Land-Rovers klammerst. Der Wolf ist mit Ausrüstungsteilen beladen, und du starrst in die Läufe zweier SA80-Gewehre. Diese L85-Individualwaffen sind das, was dich davon abhält, den Wolf geradewegs durch die Ausgangsschranke der Kaserne zu steuern. In der hellen Mittagssonne ist die abgewetzte rot-weiß gestreifte Schranke immer noch das Farbenfrohste inmitten der Schneise aus brauner Erde, des schmutzig-grauen Wachturms und der khakifarbenen Uniformen der Wachposten.
Natürlich kennst du die Soldaten, die mit ihren Waffen auf dich zielen. Die Privates Foxton und Kandahal. Es ist erst ein paar Monate her, seit du sie zum ersten Mal bei der Ausbildung beobachtet hast, als ihre vierundzwanzig Wochen gerade anfingen. Ross Foxton sieht aus, als wäre er der nervösere der beiden. Ihm fehlt die arrogante Haltung, die er während der ersten Tage im Caregan-Ausbildungslager an den Tag gelegt hatte. Sein bleiches Gesicht ist rot angelaufen und droht, die Farbe seines feuerroten Haars anzunehmen.
Sujit Kandahal ist kleiner und stämmiger, und sein Gebaren ist genauso finster wie seine äußere Erscheinung. Er gräbt seine Füße in den Boden, um einen festeren Stand zu bekommen. Er hat die Waffe fest im Griff und sich rechts von dir platziert, damit er einen freien Blick auf dich hinter der Motorhaube des Wolfs hat. Unter anderen Umständen würdest du ihm sagen, dass du beeindruckt bist. „Stellen Sie den Motor ab und steigen Sie mit erhobenen Händen aus dem Fahrzeug. Sir“, fügt er hinzu, als wäre es ihm nachträglich eingefallen. Er ist nicht daran gewöhnt, Befehle zu erteilen. Und erst recht nicht dir.
Du kannst spüren, wie der Hunger wieder in dir aufsteigt. So schnell, viel schneller, als du es für möglich gehalten hättest. Du versuchst, ihn hinunterzuschlucken, und beobachtest, welche Reaktion das bei den Wachen provoziert. Vielleicht interpretiert Foxton es als Angst, weil er ruhig auf deine linke Seite geht und etwas von seiner alten Selbstsicherheit zurückkehrt. „Sergeant Bee, Sie müssen aussteigen, damit wir Sie sehen können.“ Ein klarer, laut ausgerufener Befehl. Kein Zaudern im Akzent des Schotten. Du starrst auf die Waffen und suchst keinen Augenkontakt zu den Soldaten. Dein Gesicht ist ruhig. Du gibst ihnen keine weiteren Hinweise.
„In Ordnung“, sagst du, ruhig und laut. „Ich steige aus.“ Du greifst nach unten, langsam. Dann drehst du der Maschine des Land Rovers den Hahn ab, genauso leicht, wie du es bei einer der Wachen tun wirst.
Während du einen Schritt vom Auto weggehst, nimmst du deinen Browning und lässt ihn hinten in den Hosenbund gleiten. Mit fast zwei Pfund Gewicht ist es weder bequem noch sicher, die Waffe dort zu verstecken. Doch so liegt sie außerhalb von Foxtons und Kandahals Sichtfeld.
Ein leichter Wind trägt das Läuten der Kirchenglocken aus dem Dorf zu dir und kündigt wie gewohnt die Nachmittagsmesse an. Du denkst: Zeitpunkt des Todes: 12.30 Uhr.
Weglaufen ist sinnlos. Gerade noch Zeit für ein schnelles Lächeln. „Wir sehen uns bald wieder“, sagst du fröhlich.
Die Muskeln an Kandahals Unterarm zucken. „Ich sagte Hände hoch, Sergeant …“
Noch bevor er die Worte ausgesprochen hat, hast du den Browning mit beiden Händen gepackt und in schneller Folge zwei Schüsse abgefeuert. Die erste Kugel trifft Kandahal in die Stirn, direkt unterhalb des Abzeichens an seinem Barett, und er bricht als unansehnlicher Fleischhaufen auf dem Asphalt zusammen.
Foxton hat dich kalt erwischt. Du lässt ihn den Todesschuss abfeuern und hoffst, in einem anderen Leben mehr Glück zu haben.
ZWEI
„Hier leben Leute“, sagte Jack Harkness zu Gwen, als sie aus dem Torchwood-SUV ausstiegen.
„Ja. Furchtbar, oder?“, antwortete sie. „Selbst wenn es im Rest von Wales acht Uhr abends ist, wird es in Splott immer 1955 bleiben.“
Jack warf ihr einen Blick von der Seite zu. „Nein, ich meine, die leben hier.“ Er gestikulierte in Richtung der Gasse und zeigte auf die Betonwände der Häuser, die sich zu beiden Seiten neun Stockwerke in die Höhe erstreckten. „Sie existieren nicht einfach. Sie atmen. Sie lieben. Spielen, entscheiden, planen, lachen, vögeln. Dieser Ort riecht nach Leben.“
„Das ist ein ganz anderer Geruch, wenn du mich fragst. Kotze und
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