0160 - Der Sammler
sie den Motor zweimal ab, ein Zeichen ihrer übergroßen Nervosität. Die Worte des Polizisten spukten ihr noch immer im Kopf herum. Sie war nicht davon überzeugt, daß ihr Mann einen »draufgemacht« hatte. Dazu war er gar nicht der Typ. Außerdem hatte er eine wertvolle Ladung zu transportieren und mußte nüchtern bleiben.
Nein, da war etwas passiert!
Und Linda Garret ließ sich auch nicht davon abbringen, daran zu glauben.
Sie fuhr nicht über die Hauptstraße, sondern näherte sich auf schmalen Wegen dem Ende der Kleinstadt. Linda war bekannt, welchen Weg ihr Mann immer nahm, und den genau wollte sie auch abfahren. Vielleicht traf sie wirklich auf eine Spur, die zu Ty hindeutete. Was die Polizisten, nicht schafften, würde ihr gelingen.
Nach dem Ort begannen die Kurven, wo die Straße in Schlangenlinien durch die Felder und Wiesen führte. An diesem Morgen herrschte ziemlich viel Betrieb. Vor allen Dingen waren es Lastwagen, die ihren Weg durch die Felder suchten. Die Trucks fuhren meist in Richtung Süden. Sie steuerten das Seebad Brighton an, das gar nicht mal so weit entfernt lag.
Linda fuhr eine Viertelstunde. Dann sah sie vor sich eine Kurve, lenkte den Mini hinein und entdeckte auch den Lieferwagen am Straßenrand. Überrascht riß die junge Frau und Mutter die Augen auf. Sie fuhr sofort links an den Straßenrand, bremste und kam dicht hinter dem kleinen Transporter zum Stehen.
Rasch stieg sie aus. Ihr Herz schlug auf einmal schneller, als sie sich dem Wagen näherte. Die Fahrertür war nicht abgeschlossen.
Sie hing auch nur lose im Schloß, war beim Aussteigen des Fahrers also nicht fest zugerammt worden.
Linda wertete dies nicht gerade als ein gutes Zeichen. Sie schaute in das Führerhaus hinein, entdeckte aber nichts, was sie mißtrauisch machte oder ihr irgendeinen Hinweis auf die Anwesenheit des Fahrers übermittelte.
Ty war verschwunden. Sorgfältig untersuchte sie die Polster.
Kein Blut zu sehen, keine Spuren, daß in dieser engen Kabine ein Kampf stattgefunden hatte.
Sie stieg wieder aus.
Ein dunkelblauer Roadster stoppte am Straßenrand, und ein Mann streckte seinen Kopf durch das Fenster mit der herabgekurbelten Scheibe. »Hallo, Linda, kann ich irgend etwas für dich tun?«
»Nein, Thomas, ich bin okay.«
»Dann tschau.«
Der Roadster schoß davon. Thomas war der Playboy des Ortes.
Ihm gehörten mehrere Geschäfte, die er allesamt von seinem Vater geerbt hatte. Hinter Linda war er, auch mal hergewesen, hatte sie aber nicht bekommen. Die Frau war hart und besaß ihre Prinzipien.
Sie wartete so lange, bis der Roadster nicht mehr zu sehen war und schaute sich noch einmal die unmittelbare Umgebung an.
Warum stand der Wagen hier? Das mußte einen Grund haben.
Ihr Mann machte so etwas nicht einfach und ließ seinen Wagen stehen, um dann schnell zu verschwinden.
Etwas mußte ihn daran gehindert haben.
Aber was?
Ihr Blick glitt von der Straße weg und über die Wiesen, wo sie eine alte Hütte stehen sah. Als der Blick von der Hütte wieder zurückflog, da sah sie sehr deutlich die Fußspuren. Sie bildeten einen dunkleren Strich zum hellen Grün der Wiese.
Normalerweise hätte Linda Garret auf solche Dinge nicht geachtet, die Fußspuren wären ihr auch egal gewesen, aber in Anbetracht der Entwicklung sah sie diese Indizien ein wenig anders.
Linda faßte sich ein Herz und sprang über den Graben.
Der Acker war noch feucht vom Tau des frühen Morgens und von der Nacht. Zudem hatte sich das Gras dort noch nicht wieder aufgerichtet, wo die Person zur Hütte gelaufen war.
Und Linda, die mal in ihrer Jugend bei den örtlichen Girl Scouts, Pfadfindern, gewesen war, sah nicht nur eine Spur, sondern deren zwei.
Hier waren also zwei Männer gelaufen.
Linda wurde noch mißtrauischer. Sie runzelte die Stirn, als sie damit begann, die Spuren zu verfolgen, die tatsächlich zur Hütte führten, demnach hatte sie sich nicht getäuscht.
Zum Glück trug sie flache Schuhe, so daß sie ziemlich bequem über die noch feuchte Erde laufen konnte. Kurz vor ihrem Ziel führte der Weg ein wenig bergan, und schließlich stand sie vor der Tür.
Jetzt klopfte ihr Herz noch schneller. Das hatte nicht nur in der schnell laufend zurückgelegten Strecke seinen Grund, sie fürchtete sich auch davor, die Hütte zu betreten.
Aufgeregt huschte die Zunge über ihre Lippen. Die rechte Hand tastete zur Klinke.
Sollte sie oder sollte sie nicht?
Linda gab sich selbst einen innerlichen Ruck und zog die Tür
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