0160 - Der Spiegel des Grauens
Jorgens, den Blick in die Höhe gerichtet, als hätte er Angst, die anderen anzusehen. Joel konnte nicht entscheiden, ob es Eric oder Fran war. Die Ausrüstung machte die beiden Brüder einander noch ähnlicher - wenn das überhaupt möglich war. „Muß einen gewissen Dampfdruck haben", fuhr Jorgens fort. „Molkex- Moleküle unter die Luft gemischt. Wir riechen sie natürlich."
Jaycie nickte zustimmend und nachdenklich. Dann hob sie plötzlich den Kopf.
„Oh, was ich noch sagen wollte", wandte sie sich an Joel. „Zannmalon ist nicht die gesündeste Gegend, was die Kernstrahlung anbelangt." Joel war überrascht.
„Nicht die gesündeste ... und was heißt das?"
Jaycie hob den rechten Arm und betrachtete eines der Instrumente, die sie wie Armbanduhren zwischen Handgelenk und Ellbogen trug.
„Hundert Müliröntgen pro Stunde", las sie ab. Joel zuckte vor Schreck zusammen, aber Jaycie nahm davon keine Kenntnis. Ungerührt fuhr sie fort: „Das heißt, daß wir in längstens dreihundert Stunden eine Strahlungsdosis aufnehmen, die uns gemäß den Strahlenschutzbestimmungen allesamt zu klinischen Fällen macht."
Harney Creeser lachte ein bißchen, um anzudeuten, wie wenig ernst er die Lage nahm. Die anderen waren blaß vor Schreck, Joel eingeschlossen.
„Wir machen uns so rasch wie möglich auf den Weg", entschied Joel. „Vielleicht gibt es begrenzte Gebiete hoher Strahlungsleistung. Möglich, daß wir zwischen den Hügeln besser dran sind."
Er sagte nicht, was ihn zu dieser Vermutung veranlaßte. Er bemühte sich jedoch, ein Gesicht zu machen, als ob er wisse, worüber er sprach. Manchmal kam es nur darauf an, daß man etwas Zuversichtliches sagte. Es brauchte nicht unbedingt Hand und Fuß zu haben.
Joel nahm seine Last wieder auf und stellte sich startbereit. Ohne hinzusehen, bediente er die Schaltknöpfe am Gürtelschloß. Über seinem Kopf setzte sich die Tragschraube surrend in Bewegung. Joel schaute zu den Hügeln hinüber. Die Sonne stand schon tief, in anderthalb oder zwei Stunden würde sie untergehen. Ihre gelbroten Strahlen strichen schräg über die Molkex- Schicht und verwandelten sie in einen Mantel aus gleißendem Gold.
Joel ließ sich nicht täuschen. Durch den Glanz des Goldes hindurch sah er die Finsternis des Grauens, die der tote Planet ausstrahlte. Es schauderte ihn, als er den kleinen Starthebel zog, und selbst den wohlbekannten Ruck, mit dem ihn das Fluggerät vom Boden abhob, empfand er wie einen Schock - als ob etwas Unsichtbares, Fremdes ihn angreifen wollte.
Sie folgten ihm gehorsam. Sie hatten den Hals der Halbinsel hinter sich gelassen und trieben in einer Höhe von vielleicht fünfzig Metern auf die Hügel zu. Es gab fast keine Luftbewegung. Sie konnten gut beieinander bleiben. Barbara Spencer machte selbst im Flug unter dem klobigen Gerät eine ausgezeichnete Figur, mußte Joel wider Willen zugeben. Sie hatte auch nichts von ihrer Zuversicht verloren. Sie schaute sich um, als sei dieser Flug über die Oberfläche eines von einer grauenvollen Macht verwüsteten Planeten die alltäglichste Sache der Welt. Einen kleinen Teil ihrer Aufmerksamkeit wandte sie dem Boden und den vorausliegenden Hügeln zu, den weitaus größeren verteilte sie zu gleichen Hälften auf Nino Lamarre und Harney Creeser.
Sie wird uns Schwierigkeiten machen, dachte Joel zornig. Die Galaktische Abwehr sollte keine Frauen zu einem solchen Unternehmen beordern.
Der Anblick Pitter Laurensens lenkte ihn ab. Pitter bewegte sich, als hätte er einen Stock im Rücken. Es war ihm anzusehen, wie sehr er sich mühte, Würde zu bewahren. Er wird sich anders anstellen, überlegte Joel, wenn wir hier fertig sind. Hornschrecken haben für menschliche Würde nichts übrig.
Karl Halbein hing unter seiner Schraube, als hätte ihn die Hand eines Riesen gerade aus dem Wasser gezogen. Ein kleines Häufchen Elend. Joel las von seinem Gesicht ab, wie sehr Karl sich wünschte, woanders zu sein. Nino Lamarre ging es merkwürdigerweise nicht viel besser.
Die übrigen hielten sich recht tapfer. Jaycie hatte eine natürliche Fähigkeit, in ihrer Hilflosigkeit elegant zu wirken. Joey Peters nahm die ganze Sache als amüsanten Spaß, und den beiden Jorgens war deutlich anzumerken, daß sie sich um die Angelegenheit überhaupt nicht kümmerten. Die eigentliche Aufgabe lag vor ihnen. Wie sie mit dem Tragschrauber zurechtkamen, war völlig unwichtig. Harney Creeser wurde seiner Rolle als Apollo gerecht. Es war fast bewundernswert, wie
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