0164 - Die Truhe des Schreckens
Professors: Als Sekretärin erledigte sie selbständig all die vielen Arbeiten, zu denen der vielbeschäftigte Parapsychologe nicht kam, und war sein zweites, perfekt funktionierendes Gedächtnis; als Kampfgefährtin hatte sie oft genug Seite an Seite mit Zamorra größte Gefahren abgewendet, und als Freundin und Lebensgefährtin bedeutete sie ihm mehr als sonst etwas in dieser Welt.
Trotzdem traf sie jetzt ein vorwurfsvoller Blick.
»Wir hätten uns in London nicht aufhalten sollen«, sagte er hart. »Damit haben wir wichtige Zeit verloren. Wer weiß, was inzwischen alles auf dem Schloß vorfiel?«
Nicole senkte den Blick.
»Es tut mir leid, Chef, aber wer konnte ahnen, daß…« Sie brach ab und hob den Kopf wieder. In ihren Augen irrlichterte es. »Vielleicht irren wir uns und es ist überhaupt nichts passiert? Gut, du hast im Kampf gegen den Henker von Blöodstone gewisse Hinweise bekommen, daß Gor in Gefahr ist und mehrmals versucht hat, sich mit dir in Verbindung zu setzen. Aber das Schloß ist sicher und damit auch Raffael, so lange er sich im Innern der geschützten Mauern befindet.«
Zamorra schob sich an ihr vorbei.
»Komm, wir gehen zum Wagen. Wir müssen so schnell wie möglich nach Château de Montagne. Es hat keinen Zweck, wenn wir hier herumstehen und über eventuelle Gefahren philosophieren, die dem Schloß drohen.«
Nicole schloß sich an. »Na, so lange hat uns der Einkauf doch gar nicht aufgehalten. Außerdem war er notwendig, denn ich habe nichts mehr zum Anziehen.«
Als sie den Wagen erreichten, deutete Zamorra auf die Koffer, die sich nicht nur im Kofferraum, sondern auch auf dem Rücksitz bis zur Decke stapelten.
»Wenn man bedenkt, daß du mit einer handlichen Reisetasche auf den Weg gegangen bist und jetzt mit all diesem Zeug zurückkehrst, könnte man tatsächlich zu der Ansicht kommen, daß du sonst immer nur in Lumpen herumgelaufen bist.«
Sie schürzte die Lippen und zischte: »Du bist ein ausgemachtes Ekel - und ein Geizkragen dazu! Gönnst mir nicht einmal ein paar neue Fummel.«
Zamorra schloß die Tür auf. »Fummel?« Sein Gesicht rötete sich leicht. »Fünf Cocktailkleider, sieben…«
»Hör auf damit!« Nicole hielt sich die Ohren zu. »Ich kann diese ewigen Vorwürfe nicht mehr hören. Demnächst laufe ich tatsächlich in Lumpen herum, damit du endlich siehst, wie das ist.«
Beide stiegen ein.
»Na klar«, knurrte Zamorra, »obwohl dir das schwer fallen dürfte, denn das einzige, was du noch nicht hast, sind eben zitierte Lumpen. Mit den Kleidern, die sich in deinen Schränken befinden, könntest du ein ganzes Mädchenpensionat versorgen. Die jungen Damen wären entzückt, über solche Auswahl. Eine Modeboutique inmitten von Paris hat dir gegenüber ein geradezu lächerliches Sortiment.«
»Behaupte nie mehr, kein Geizkragen zu sein«, sagte Nicole unterkühlt. »Soeben hast du dafür den schlagenden Beweis geliefert. Außerdem bitte ich zu bedenken, daß Paris längst nicht mehr der Nabel der Modewelt ist. Was glaubst du, warum ich in London eingekauft habe?«
Zamorra schüttelte ergeben den Kopf.
»Wehe dem armen Mann, der es versucht, gegen weibliche Logik anzugehen. Schlimmer kann keine Niederlage sein.«
Es war kein echter Streit, der sich hier abspielte, sondern eines der liebenswürdigen Geplänkel, die sie sich dann und wann lieferten.
Was sich neckt, das liebt sich. In Wirklichkeit wäre Zamorra der letzte gewesen, der etwas gegen Nicoles Modefimmel einzuwenden gehabt hätte. Er mochte es, wenn seine Freundin gut gekleidet herumlief.
Das wußte Nicole auch, obwohl sie das Spielchen mitmachte.
Im Grunde bekämpften sie auf diese Art die Spannung, die in ihnen herrschte.
Was war wirklich auf dem Château während ihrer Abwesenheit vorgefallen?
»Vielleicht hast du recht, mon Cheri, und wir hätten uns in London doch nicht aufhalten sollen. Aber wir hatten die Zeit bis zum Abflug der nächsten Maschine überbrücken müssen, und als ich dann mal so richtig in Fahrt war, kam ich einfach nicht mehr los. Ist ja wirklich enorm, wie sich die Briten in den letzten Jahren gemausert haben, zumindest was Mode betrifft, nicht wahr?« Sie schenkte ihm einen unschuldigen Augenaufschlag.
Zamorra konterte mit einem liebenswürdigen Lächeln.
»Ist ja schon gut, Nicole, schließlich bist du nicht allein schuld. Ich hätte auf Abreise bestehen müssen. Stattdessen habe ich den ganzen Einkaufsbummel sogar noch mitgemacht. Also darf ich dir überhaupt keinen
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