0166 - Das Werwolf-Mädchen
griff er zu und hebelte sie auf seine Arme, dann bewegte er sich abwärts. »Wenn nicht bald etwas geschieht, stehen wir morgenfrüh noch hier oben«, nörgelte er. »Ich dachte, wir wollten eine Strandparty feiern.«
Yardin und Monique folgten ihnen nach unten. Angekommen, setzte Zamorra seine süße Last wieder ab. »Du bist dir doch im Klaren darüber, daß das eine Kidnapping-Aktion war?« stellte sie fest. »Ich werde umgehend die Polizei informieren. Monsieur l’Inspecteur, nehmen Sie auf der Stelle diesen Gewaltsverbrecher fest!«
»Ich bin nicht im Dienst«, brummte Yardin mit trockenem Grinsen. »Bitte wenden Sie sich an die Urlaubsvertretung, Mademoiselle, und füllen in der Zwischenzeit schon mal Antrag 14 auf Formblatt 37 in etwa vierzehn Ausfertigungen aus.«
Zamorra schmunzelte. »So kompliziert geht es bei euch Polizisten zu?« fragte er. Yardin schüttelte den Kopf. »Nein, aber bei mir nach Feierabend…«
Monique lief über den Sand bis zum Wasser. Es waren nur ein paar Meter, aber der Sand war sauber. Von der letzten Ölkatastrophe waren keine Spuren zurückgeblieben. Das rothaarige Mädchen kniete nieder und tauchte die Hände in das Wasser ein.
»Noch warm genug«, stellte sie fest. »In der allergrößten Not können wir noch ein mitternächtliches Bad unter silbernem Mondlicht nehmen.«
»Ich habe meine Badehose nicht bei mir«, murmelte Zamorra und suchte schon wieder nach einem Taschentuch.
»Na und?« Nicole hob die Schultern. »Ist doch vollkommen egal. Du kannst ja draußen bleiben.«
In diesem Moment schaffte Zamorra es tatsächlich, den Niesreiz zu unterdrücken. Er lauschte geistesabwesend in die Nacht. »Was hast du?« fragte Nicole.
Doch Zamorra antwortete nicht. Er glaubte in unendlich weiter Ferne einen Wolfsschrei gehört zu haben.
***
Wie Schatten waren sie, hingeduckt in der Dämmerung. Sie verschmolzen mit ihrer Umgebung bis zur Unkenntlichkeit. Wer nicht genau wußte, wo sie kauerten, hätte sie niemals erkannt. Sie schwiegen, verhielten sich still und abwartend wie am Abend zuvor, als Harry Winter einer der ihren wurde. Er war jetzt Yakka, war nur noch Wolf. Die Erinnerung an sein Mensch-Sein war verdrängt, kam nicht mehr zum Tragen. Es interessierte ihn nicht mehr, was er früher gewesen war, was er getan hatte. Nur noch das Jetzt zählte. Sein Dasein als Wolf und seine Gefährtin, die Herrin. Er stand völlig in ihrem Bann. Nur tagsüber, wenn sie nicht beim Rudel war, war er der Anführer. Kam sie, übernahm sie sofort die Leitung.
Die Wölfe warteten und beobachteten. Sie wußten, daß die Herrin etwas beabsichtigte, das für sie alle Beute bringen würde. Sie sahen zu, wie die Herrin jene seltsame Schale abstreifte, die die Zweibeiner immer trugen und die gestern abend an dem Zweibeiner äußerst hinderlich gewesen war, als sie über ihn herfielen. Diese Schale war weder nahr- noch schmackhaft gewesen, und sie hatten sie nur zerrissen und liegengelassen.
Jetzt stellte sie wieder die schwarze Kerze auf und entzündete sie, malte dann das Pentagramm und begab sich hinein. Wieder erflehte sie die Hilfe Plutons bei dem, was sie und das Rudel an ihr Ziel bringen sollte.
Irgendwo draußen in der Dunkelheit glitt eine Yacht durch das Wasser…
***
Monique zog die Stiefel aus, rollte die Hosenbeine bis zu den Knien auf und begann in das Wasser zu waten. Nicole lachte auf. »Warum ziehst du dich nicht sofort ganz aus, wenn du ohnehin ein Mondschein-Bad nehmen willst?«
»Das wäre zu überlegen«, murmelte Monique, fast einen Meter weit in das erfrischende Naß vorgestoßen. Pierre Yardin begann den Kasten mit den Getränken zu öffnen.
Zamorra löste sich aus seiner Starre. Das, was er zu hören geglaubt hatte, hatte sich nicht wiederholt. »Ist FKK hier nicht verboten?« fragte er.
»Die Polizei erlaubt’s ausnahmsweise«, winkte der Inspektor großzügig ab.
Monique kam zurück. »Immer, wenn ich nicht in der Nähe bin, packt der Bursche die schönsten Dinge aus! Ist das nicht eine Unverfrorenheit?«
Nicole nickte. »Sicher. Du solltest ihn dir besser erziehen. Leg ihn einfach mal über’s Knie. Schau dir Zamorra an. Den habe ich voll im Griff. Immer, wenn ich ein neues Kleid brauche, kauft er es mir…«
»Viel zu häufig«, murmelte der Parapsychologe. »Das muß langsam aufhören. Die Kleiderschränke platzen aus allen Nähten…«
»Und morgen müssen wir unbedingt die Boutiquen in erreichbarer Nähe plündern«, stellte Nicole trocken fest und
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