0168 - Die Teufels-Dschunke
den Händen und hatten mit Schrecken feststellen müssen, was mit ihren Kumpanen geschehen war. Für sie, die nur rational dachten, war dies ein unbegreiflicher, nicht erklärbarer Vorgang, in den sie sich überhaupt nicht hineinversetzen konnten.
Sie sahen ihre Freunde am Boden liegen und dachten nicht mehr daran, den Kampf fortzusetzen. Auf dem Absatz machten sie kehrt und rannten weg.
Furcht, Angst und Panik verliehen ihnen gewaltige Kräfte. So schnell waren sie noch nie in ihrem Leben gelaufen, und die Diener der roten Schlange ließen sie.
Das alles hatte auch Shao gesehen. Zuerst war sie entsetzt gewesen, doch nun, als die hautnahe Gefahr gebannt war, dachte sie wieder klarer.
Flucht!
Der Gedanke war wie ein Brandeisen, das sein Zeichen in ihrem Gehirn hinterließ. Die Chinesen waren abgelenkt, sie achteten momentan nicht auf sie, vielleicht konnte sie es schaffen.
Shao raffte sich auf.
Und dann rannte sie. Sie hatte sich die rechte Seite ausgesucht, ihre Füße stampfen über den Boden, das lange Haar wehte als Fahne in ihrem Nacken. Sie wollte nur weg.
Die Chinesen hörten ihre Schritte. Die Mafiosi waren ihnen egal gewesen, nicht das Mädchen.
Abermals schickten sie den lautlosen Tod auf die Reise. Wieder lösten sich die Schlangen von ihren Stirnen, verwandelten sich auf ihrem Flug und wurden zu gefährlichen Dolchen, die Shao nicht hörte, von ihnen jedoch umkreist wurde und sie dann sah.
Sie schrie auf, als sie erkannte, was da mit tödlicher Präzision auf sie zuflog.
Wie vor eine Mauer gelaufen blieb Shao stehen, riß die Hände vors Gesicht und sah die beiden kleinen Schlangendolche, die Kurs auf ihre Stirn nahmen.
Sie konnten sie gar nicht verfehlen…
***
Jetzt ist es vorbei, dachte Shao!
Sie rechnete mit ihrem Ende, wartete auf den tödlichen Stoß der beiden Schlangendolche, ihr Innerstes vereiste, der Körper zog sich zusammen, und sie schaute überrascht auf, als doch nichts geschah.
Sekunden vergingen.
Langsam entkrampfte Shao sich wieder. Ihre Hände sanken herab, sie öffnete die Augen – und sah die beiden gefährlichen Schlangenpfeile. Eine Handbreit vor ihrem Gesicht schwebten und standen sie in der Luft.
Tief atmete Shao ein. Sie wagte nicht, sich zu rühren. Denn wenn sie nur eine Bewegung machte, dann würden die beiden Pfeile zustoßen und sie im Gesicht treffen.
So wartete sie ab.
Nach einer Weile hörte sie Schritte. Den Lauten nach zu urteilen, waren es zwei Personen, die sich in ihrem Rücken näherten und dann hinter ihr stehenblieben, um sie anzusprechen.
»Du wolltest fliehen?«
Shao schwieg.
»Das hätte Tschu Wang aber gar nicht gern gesehen, meine Liebe«, sagte der andere.
»Nein, bestimmt nicht«, mischte sich der erste Sprecher wieder ein.
In Shao stieg es heiß hoch. Vom Magen her breitete sich das Gefühl der Angst aus und wanderte immer weiter. Ja, sie hatte Angst.
Diese Menschen, falls es welche waren, würden sie erbarmungslos töten, wenn sie sich nicht fügte. Die Chance zur Flucht war vertan.
Shao sah nur noch die Möglichkeit, sich dem Willen der anderen zu unterwerfen. Und damit konnte sie auch Zeit herausschinden. Zeit, die vielleicht einmal wichtig war.
»Ich hoffe, du richtest dich jetzt nach unseren Befehlen«, sagte der erste Sprecher.
Shao schwieg. Sie wagte nicht einmal zu nicken, denn sie hatte Angst, mit dem Kopf gegen die Spitzen der Schlangenmesser zu stoßen. Dafür schielte sie jedoch nach links und rechts, wo sie die beiden Männer sah.
Sie boten einen wirklich makabren Anblick. Wo die Schlangen in ihren Stirnen gesessen hatten, befanden sich jetzt regelrechte Öffnungen, die haargenau die Umrisse der fliegenden Schlangenmesser aufwiesen. Ein wirklich schlimmes Bild, und Shao rann eine Gänsehaut über den Rücken, als sie es sah.
Dann zogen sich die Dolche zurück.
Das ging blitzschnell. Ohne daß irgendein Befehl erfolgt wäre, verschwanden die gefährlichen Mordinstrumente vor Shaos Augen und nahmen ihre Plätze ein.
Die Chinesin atmete auf.
Im nächsten Augenblick spürte sie wieder die harten Finger der Männer um ihre Oberarme. Die Bewacher drehten Shao herum und zwangen sie, in die ursprüngliche Richtung weiterzugehen.
Der dritte Mann war damit beschäftigt, die beiden Toten in den Wagen zu laden. Die Maschinenpistolen warf er hinterher. Dann nahm er selbst im Fahrzeug Platz, startete und fuhr zum Ufer hinunter. Nach einer Weile hörte Shao ein gewaltiges Klatschen. Wasser spritzte fontänengleich hoch,
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