0177 - Todeskuß der Schwarzen Lady
Hexen waren, die wirklich Macht besaßen und nicht nur mit Illusionen und Blendwerk arbeiteten.
Durch magische Tricks dieser Art war der Lord nicht einzuschüchtern, dessen Urahnen man schon nachsagte, sie hätten Zauberkünste besessen. Und auch er selbst war in schwachem Maße mit Para-Fähigkeiten gesegnet - er war ja nie ein anderer gewesen, war nur von einem Körper in den anderen gewechselt. Und schon vor ewigen Zeiten hatten die Llewellyns gegen die Mächte der Finsternis gekämpft, so gut sie es konnten. Nicht umsonst war Llewellyn Castle lange Zeit durch einen magischen Sperrschrim vor Angriffen der Schwarzblütigen geschützt gewesen, bis ein entarteter Druide dann doch das Unglaubliche schaffte und diese Abschirmung zerstörte.
Doch auch er hatte nicht Sieger bleiben können.
Bryont faßte den Entschluß, einen seiner Freunde herbeizurufen. Professor Zamorra mußte her.
***
Professor Zamorra mußte sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß die Nacht schon wieder viel zu früh zu Ende war. Es blieb ihm nichts anderes übrig; das Telefon schrillte nervtötend und hörte von selbst nicht wieder auf.
»Es ist überhaupt nicht einzusehen, daß ich mich zu dieser sündhaft frühen Stunde vom Telefon tyrannisieren lasse«, murmelte er schlaftrunken und verärgert. »Der Teufel soll die moderne Technik holen. Rauchzeichen könnten mich nicht so stören.«
Das Telefon machte sich nichts aus seiner Verwünschung und klingelte weiter.
»Himmel noch mal, warum nimmt Raffael nicht ab und lügt dem Anrufer vor, ich sei nicht da?« brummte Zamorra. Sekunden später entsann er sich, daß Raffael seit über einem Jahr erstmals wieder einen freien Tag genommen hatte und deshalb nicht abnehmen konnte. Zamorra schwang seine Beine aus dem Bett, machte den Arm lang und hob den Hörer ab.
»Endlich«, hörte er den Anrufer mit unverkennbarem britischen Akzent sagen. »Hier Saris.«
»Der Lord höchstsülbigst«, brummte Zamorra, gähnte ausdauernd und gab ein vernehmliches Schnaufen von sich. »Mein lieber Sir Bryont, weißt du, wie spät beziehungsweise früh es ist?«
»Zehn Uhr dreißig mitteleuropäischer Zeit«, sagte Saris trocken.
»Eben«, konterte Zamorra. »Wir geruhen für gewöhnlich bis elf Uhr dreißig dem Schlaf zu huldigen, alldieweil die Nächte im Château Montagne stets lang werden…«
»Ich bin gestern abend auch nicht eher in die Federn gekommen«, sagte der Lord. »Kannst du mal eben nach London kommen? Ich habe einen Fall für dich.«
»Vergiß es«, wehrte der Parapsychologe ab, der sein Leben in den Dienst der Dämonenbekämpfung gestellt hatte. »Ich habe keine Lust, mich schon wieder mit einem Ableger Luzifers zu prügeln.«
»Doch, du hast Lust, mein lieber Zamorra«, widersprach der Lord. »Wie ich dich kenne, brauchst du nur ein hartgekochtes Frühstücksei, zwei Kannen Kaffee und eine rasche Flugverbindung. Für das Letztere kann ich aus der Ferne sorgen.«
»Und für das andere ist mein Personal zuständig«, murmelte Zamorra. »Bon, ich komme. Kannst du schon einmal ein paar Andeutungen lallen?«
Bryont Saris erzählte in kurzen Stichworten von den Geschehnissen der Nacht. Zamorra grinste freudlos.
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, versprach er. »Du kannst damit rechnen, daß ich in den späten Nachmittagsstunden eintreffe.«
»See you«, sagte der Lord und hängte ein.
Zamorra ließ den Hörer auf die Gabel fallen, hüllte sich gähnend in seinen Bademantel und schlurfte los, um sich unter die Dusche zu stellen. Anschließend machte er sich auf den Weg, Nicole zu wecken.
***
Nicole Duval, Zamorras Lebensgefährtin und Sekretärin in Personalunion, reagierte auf sein dezentes Anklopfen nicht. Offenbar war ihr Schlaf noch fester, als der seine es gewesen war. Am vergangenen Abend hatte es unten im Dorf ein Fest gegeben, zu dem auch Zamorra und Nicole eingeladen gewesen waren, und erst in den frühen Morgenstunden waren sie mit schweren Köpfen per Taxi zur Burg hinaufgebracht worden. Ihr Wagen stand noch unten in Feurs. Die Stimmung war so herrlich gewesen wie lange nicht mehr, und das Fest zu besuchen, hatte sich gelohnt. Unterhaltungen, Musik, Tanz und süßer Wein… Zamorra fühlte sich immer noch leicht unter Restalkohol.
Er drückte die Klinke nieder. Häufig genug übernachtete Nicole bei ihm, obgleich sie eine ganze Zimmerflucht im Château bewohnte, aber in dieser Nacht hatte sich bei beiden nichts mehr abgespielt, und Nicole war in ihrem Zimmer
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