018 - Eleanors Baby
behauptete, Benjie sei in Lebensgefahr, und beschwor mich, ihm zu helfen.«
»Seit wann hast du diese Träume, Pamela?«
»Seit Eleanor uns im Juni besuchte.«
»Hast du eine Ahnung, was diese Alpträume ausgelöst haben könnte?«
»Jaa«, sagte sie gedehnt. »Das ist leider etwas, worüber ich mit Steven nicht sprechen kann. Er ist vermutlich der gütigste Mann, den ich kenne, wird jedoch ausgesprochen ungehalten, wenn man in seiner Gegenwart das Thema auf das Übersinnliche bringt.«
Julian grinste. »Stimmt. Das ist mir auch schon aufgefallen. So tolerant er sonst ist, in dieser Beziehung ist er nicht ansprechbar.«
Pamela trank einen Schluck Tee. »Eleanor erzählte mir, das Baby sei nach Marks Tod gezeugt worden«, fuhr sie zögernd fort.
»Unbefleckte Empfängnis?«
»Nein. Sie behauptete, Mark wäre in der Nacht, in der das Flugzeug abstürzte, nach Hause gekommen, und sie hätten Verkehr miteinander gehabt. Am Morgen war Mark verschwunden, und Eleanor erfuhr Stunden später, dass ihr Mann in derselben Nacht tödlich verunglückt war. Unmöglich, nicht wahr?«
»Nein, das würde ich nicht sagen, Pamela. Natürlich bin ich skeptisch, aber unmöglich ist ein Wort, das ich auf jeden Fall vermeiden möchte. Unsere Erde ist eine junge Welt, und wir Menschen stecken noch in den Kinderschuhen. Einer, der behauptet wir hätten bereits alles gelernt und durchschaut, ist ein unbelehrbarer Narr. Komm, sprich weiter!«
Pamela erzählte von Socker und dem Stofffetzen.
Julian ließ sie in Ruhe zu Ende berichten und fragte dann: »Hat Eleanor sich, seit sie von zu Hause fort ist, irgendwie verändert? Charakterlich, meine ich?«
»Nein, das wäre mir aufgefallen«, murmelte Pamela.
»Dann komme ich fast in Versuchung, ihrer Geschichte zu glauben.« Er lächelte.
Pamela atmete erleichtert auf. Nun hatte sie auch den Mut, Dr. Littleton von Gails Erscheinung und ihrem Besuch bei Cynthia Lawson und von deren merkwürdigem Tod zu erzählen.
»Na, du hast ja ganz schön was mitgemacht in letzter Zeit«, meinte er mitfühlend.
»Sicher wäre es viel leichter für mich gewesen, wenn ich mich jemandem hätte anvertrauen können«, seufzte sie. »Aber da ist noch etwas. Eleanors letzter Brief ist wie eine Ergänzung zu dem – na ja, sagen wir Traum, in dem Mark mir erschien. Eleanor schreibt, Benjie hätte Angst allein zu sein. Er behauptet, es wären fremde Leute im Haus. Deshalb schläft er sehr unruhig und ist furchtbar nervös. Sie will ihn zu einem Kinderspezialisten bringen, weil sie fürchtet, er könnte jegliche Beziehung zur Realität verlieren.«
»Wie alt ist Benjie denn?«
»Acht.«
Dr. Littleton nickte. »Schreibt sie sonst noch etwas über ihn?«
»Ja. Er beschrieb die Leute, die er zu sehen behauptet. Die eine Beschreibung passt genau auf Gail. Natürlich hat er schon Bilder seiner Großmutter gesehen, aber gekannt hat er sie nicht. Sie starb lange vor seiner Geburt. Unter anderem erzählte er, dass Gail Eleanors Baby töten will, bevor es geboren ist.«
»Großer Gott! Ich weiß, du hängst an deiner Stieftochter, und deshalb ist es wohl auch völlig normal, dass euch dasselbe beschäftigt, aber …«
»Aber was, Julian? Glaubst du, ich sollte einen Psychiater aufsuchen?«
Dr. Littleton schüttelte den Kopf, kramte nach seiner Pfeife und dem Tabaksbeutel und hing einen Augenblick seinen Gedanken nach, ohne Pamela anzusehen.
»Nein, zu einem Psychiater brauchst du nicht zu gehen«, sagte er schließlich. »Aber … Weißt du, ich muss mir das alles erst noch in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.«
Pamela erhob sich, aber er bat sie, sitzen zu bleiben. »Wann hast du vor, Eleanor zu besuchen?«
»Weihnachten.«
»Könntest du nicht schon eher hinfliegen?«
»Zeitmäßig schon, aber wie sollte ich es Steven erklären?«
Er hob die Schultern. »Sag ihm einfach, du hättest Sehnsucht nach Eleanor und den Kindern. Ich würde sehr gern selbst mit ihm sprechen. Die Geschichte interessiert mich. Ich habe schon viel über Okkultismus und Parapsychologie gelesen. Und wegen deiner Träume – ja – da weiß ich eigentlich wirklich nicht, was ich dir sagen soll. Ich habe noch nie einen Geist oder eine Erscheinung gesehen, aber das heißt noch lange nicht, dass es sie nicht gibt. Übrigens habe ich das Gefühl, dass du dir, vielleicht ohne es dir selbst einzugestehen, die Schuld an Mrs. Lawsons Tod gibst. Das darfst du nicht. Wir kennen uns selbst nicht, Pamela, wie können wir da sagen, der oder die
Weitere Kostenlose Bücher