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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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1
    Die Schrift über dem Tor ist der goldschimmernde Beweis auf blauem Grund, dass ich vor drei Tagen tatsächlich angerufen wurde.
    Hier ist das Bernini-Gymnasium. Wann können Sie kommen?
    Wann soll ich kommen?
    Montag um zehn.
    Seit Viertel nach neun bin ich hier. Die Esplanade mit den Gärten ringsherum und den Bänken, den Wippen, den Treppenfluchten der Kirche auf der anderen Seite der Straße war menschenleer.
    Könnten Sie bitte den Namen der Schule noch einmal wiederholen?
    Bernini-Gymnasium.
    Die Fenster der Fassade blicken alle in meine Richtung: fragen sich, warum ich hier vor dem Tor stehe, ob ich versuchen werde einzutreten und ob ich dazu befugt bin.
    Verzeihen Sie noch einmal: Sie meinen das Bernini in Turin?
    Natürlich, in Turin. Sie haben sich doch beworben, oder?
    Zwanzig vor zehn.
    Rechts gibt es eine Klingel, sie wartet darauf, bemerkt und betätigt zu werden. Am Tito Livio gab es keine Klingel; nur eine immer offen stehende Tür und ein Kabäuschen mit durchsichtigen Glasscheiben, aus dem Nicola, der Hausmeister, hervortrat und fragte, wer da sei, was er wolle.
    Der metallische Laut ertönt, ich will schon fast dieHand wieder zurückziehen. Das Schloss schnappt auf, die schwere Tür öffnet sich.
    Da bin ich also.
    »Man hat mich wegen einer Vertretung herbestellt«, sage ich und halte den Türflügel fest, um keinen Lärm zu machen.
    »Sie schließt von alleine«, erklärt mir die Frau hinter dem Empfangstresen.
    Ich lasse die Tür sofort los und trete zu ihr, warte, dass sie mich über ihre Brille hinweg mustert, meinen Vor- und Zunamen auf der Besucherliste notiert. Auf dem Anstecker steht: Maria.
    Sie kontrolliert meinen Personalausweis, betrachtet das Foto, dann die Rückseite, während sie sich mit der anderen Hand die Nummer und das Ausstellungsdatum aufschreibt. Ausgestellt in Neapel.
    Vergangene Woche lebte ich noch im anderen Teil Italiens.
    »Bitteschön.«
    Sie gibt mir den Ausweis zurück, greift zum Telefon, wählt eine Nummer.
    »Die neue Lehrerin für Riccardi ist da«, sagt sie, ohne den Blick von mir zu wenden. »Eine junge Frau«, fügt sie mit gesenkter Stimme hinzu.
    Die Antwort am anderen Ende der Leitung ist kurz und trocken.
    »Erster Stock. Sie soll nach der Belcari fragen.«
    »Danke.«
    Ich spüre ihre Augen in meinem Rücken: Sie kontrollieren, ob ich genau das tue, was sie gesagt hat, keinen Schritt mehr.
 
    Das ist kein Problem, sage ich mir. Ich muss lediglich der Linie der Fliesen bis zum Ende des Ganges folgen und zu der Frau gelangen, die sich dort auf den Fenstersims stützt und etwas schreibt.
    Meine flachen Schuhe erzeugen ein dumpfes Geräusch, das sich im Nu verflüchtigt. Die Frau am Fenster dreht sich um und blickt in meine Richtung. Groß, hager, dunkelhaarig, tritt sie in die Mitte des Ganges, verschränkt die Arme vor der Brust und wartet auf mich.
    Ich presse meine Tasche an mich und gehe schneller. Rechts gleiten die geschlossenen Türen der Klassenzimmer an mir vorüber. Allesamt blau, ohne Aufschrift, es ist immer die gleiche Tür. Kunstdrucke und geometrische Tabellen an den Wänden verleihen dem schulischen Grau etwas Farbe.
    Mit wenigen Schritten lege ich die paar Meter zurück, die uns voneinander trennen, und hoffe, dass meine entgegengestreckte Hand die tiefe Falte zwischen ihren Augenbrauen vertreiben wird.
    »Studienrätin Belcari?«
    »Ich heiße Grazia.«
    Sie bedeutet mir, ihr zu folgen.
    »Man hat mir noch nichts über den Fall erzählt. Wegen der Privatsphäre, glaube ich. Ich habe zwar gefragt, aber …«
    Die Belcari nickt mit dem Kopf, sie hört gar nicht zu. Sie starrt mir auf die Schultern, die Arme.
    »Gehen wir in Klassenzimmer 9.«
    Ich beschließe, den Mund zu halten. Sie führt mich durch den Flur, neigt den Kopf so weit nach unten, dasssie den passenden Schlüssel aus dem Bund fischen und damit die Tür aufschließen kann.
    Die Falte ist immer noch da. Sie zieht die Augenbrauen zusammen, als sie sich umdreht und sagt: »Eigentlich hatten wir uns einen Mann gewünscht.«
 
    Vor etwa zwanzig Jahren entpuppte sich ein leichtes herbstliches Fieber als eine Folge von Mumps. Meine Mutter setzte sich auf den Bettrand: Sie hatte mir ein Geschenk mitgebracht.
    Es war nur eine kleine Schiefertafel mit ein paar bunten Kreidestücken, doch von der Tür her begann mein Bruder unwillig zu quengeln. Mama ließ sich nicht davon beirren, das Geschenk war für mich. So lernte ich in den folgenden zwei Stunden, dass alles geschrieben,

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