018 - Eleanors Baby
wieder bei Bewusstsein war, wollte sie Neal beruhigen. Sie hätte ihn nicht so anschreien dürfen.
Eilige Schritte kamen näher. Ein großer, breitschultriger Mann mit rotem Gesicht und in Shorts und weißen Schuhen beugte sich über Benjie.
Belinda, die Augen vor Schrecken glasig, wies mit zitternder Hand auf den Mann.
»Das ist Mr. Greenfiel, Mrs. Sprinkle. Er wird Ihnen helfen.«
»Nein!«
»Sie machen es sehr gut, Ma’am. Aber ich löse Sie gern ab, wenn Sie müde sind. Oh, schauen Sie!«
Sie spürte, wie Benjie unter ihren Händen plötzlich zuckte, und hörte, wie er keuchte und die Lungen sich mit Luft füllten.
»Mom!«
Fast ein noch erstickter Ton, aber Benjie versuchte bereits, sich aufzurichten.
Ein schriller Schrei – der jedoch nicht aus Angst, sondern aus tiefster Erleichterung geboren war –, zerriss die Stille. Belinda hatte sich auf den Boden geworfen und bebte am ganzen Körper.
Eleanor nahm ihre Hände von Benjie, der nun schon aus eigener Kraft zu atmen vermochte, und legte tröstend die Arme um Belinda. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Benjie, der sich jetzt aufzusetzen bemühte.
»Nein, nein, mein Sohn!« mahnte der breitschultrige Mann. »Du musst noch auf deinem Bauch liegen bleiben. Ja, so ist’s gut. So beruhigt sich dein Körper am schnellsten.«
Mit tränenverschmiertem Gesicht blickte Neal über das Becken. »Mama?«
»Komm her, mein Liebling!« rief Eleanor, und er rannte mit hängendem Kopf auf sie zu.
Während Belinda aufgeregt vor sich hinplapperte, fiel Neal seiner Mutter mit einem erleichterten Seufzer um den Hals. Sie erklärte ihm, warum sie ihn so scharf angefahren hatte.
»Ich weiß, dass du erschrocken warst, mein Kleiner«, sagte sie. »Aber du musst lernen, zu warten.«
Neal war in ihren Armen, und Belinda begann allmählich, verständlicher zu reden. Äußerlich wirkte Eleanor gefasst und selbstsicher; niemand sah, dass ihr Herz wie verrückt pochte.
»Ich saß hier, Mrs. Sprinkle«, erzählte Belinda. »Benjie stand am Rand des Beckens und – und sprach mit – na ja, Sie wissen schon. Eben mit irgendjemand, den nur er sieht. Aber Sie sagten ja, Sie würden deshalb mit ihm zum Doktor gehen. Daran dachte ich gerade, als – als er plötzlich ins Wasser fiel. Es sah so aus, als wäre er zusammengebrochen oder …«
»Es sah so aus, als ob ihn jemand hineingeschubst hätte«, sagte Neal mit Überzeugung.
Benjie schaute sie mit leicht verschwommenem Blick an, während Mr. Greenfield mit Riesenpranken Benjies Muskeln massierte.
»Ja«, pflichtete Belinda zögernd bei. »Es sah wirklich so aus, als hätte ihn jemand hinein gestossen. Ich dachte mir, er wird ja gleich wieder hochkommen. Sie wissen doch selbst, Mrs. Sprinkle, was für ein guter Schwimmer Benjie ist. Aber – aber er kam nicht hoch. Da sprang ich ins Wasser und – Sie glauben mir vielleicht nicht, nun es ist ja auch merkwürdig – es war, als wäre jemand mit ihm da unten, der ihn auf den Grund drückte.«
»Auf den Grund drückte?« Eleanor blickte verwirrt das Mädchen an.
»Ja. Als ob ihn jemand mit beiden Händen festhielte.«
»Er hat sich vermutlich nur mit aller Kraft an dich geklammert, Belinda«, meinte Mr. Greenfield. »Das tun Ertrinkende gewöhnlich.«
»Aber nein! Benjie berührte mich überhaupt nicht. Er versuchte nicht einmal, nach mir zu greifen. Es war, als ob etwas Unsichtbares über ihm kauerte. Ich konnte es fühlen, aber nicht sehen. Ehrlich, Mrs. Sprinkle.«
Eleanors Lippen zitterten, als sie sagte: »Die Hauptsache ist, dass du ihn aus dem Wasser gezogen und sofort mit der künstlichen Beatmung angefangen hast.«
Eiskalte Schauer überliefen sie trotz der glühenden Hitze. Etwas hatte Benjie auf den Grund gedrückt und festgehalten! Mark? Marks Geist, der versuchte sein eigenes Kind zu ertränken? Eleanor ballte so fest ihre Fäuste, dass die Fingernägel sich in die Haut eingruben.
»Benjie ist wieder völlig in Ordnung, Mrs. Sprinkle«, sagte Mr. Greenfield und riss sie aus ihren quälenden Überlegungen. »Nicht wahr, mein Junge?«
»Ja.« Benjie nickte mit dem Kopf. »Mommie, ich habe so einen scheußlichen Geschmack im Mund. Gibst du mir bitte etwas zu trinken?«
Eleanor lud auch Mr. Greenfield zu einem Drink ein und bedankte sich bei ihm und Belinda für die Hilfe.
Nach dem Abendessen wählte sie die Nummer ihres Vaters. Es läutete eine Weile, ehe Pamela das Telefon abhob und atemlos: »Hallo?« in den Hörer hauchte.
»O Eleanor, du bist es!
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