0182 - Ich jagte »Jack the Ripper«
für Betty bisher noch einen leisen Zweifel gegeben, so war dieser jetzt aus dem Weg geräumt worden. Vor ihr stand der geheimnisvolle Mörder, von dem die Zeitungen berichteten. Und er wollte sie, ihr Haar.
»Kommst du nicht?« flüsterte er.
»Nein!« Betty schrie das Wort, und dann packte sie die Panik. Bevor der Ripper sich versah, warf Betty sich auf dem Absatz herum, rannte nach rechts und sprang über den Straßengraben. Im weichen Boden eines Feldes sackte sie ein. Es war schon längst gemäht worden, nur noch die Getreidestoppel standen wie kleine Rohre in die Höhe. Sie stießen hart gegen die leichten Turnschuhe des Mädchens.
Betty rannte.
Sie lief querfeldein, wollte einen Bogen schlagen und das Haus ihrer Eltern erreichen, wo sie sich in Sicherheit befand. Sie war immer schon eine gute Läuferin gewesen, und bei jedem Sportfest hatte sie der Lehrer als Schlußläuferin genommen. Das sollte und mußte sich nun bezahlt machen.
Ihre Beine schwangen weit vor. Der Rock wirbelte hoch. Sie stieß sich immer wieder kraftvoll ab, um so rasch wie möglich eine genügend große Distanz zwischen sich und dem unheimlichen Mörder zu bringen.
Ein abgeernteter Acker ist keine Rennstrecke. Das mußte das Mädchen sehr bald erfahren, als es zum erstenmal stolperte. Sie hatte eine tiefe Furche übersehen, stieß mit der Schuhspitze hinein, wurde nach vorn geschleudert und konnte sich nur durch einen raschen Sprung vor einem Fall bewahren.
Betty hetzte weiter, ihre Beine bewegten sich rhythmisch, sie lief, und dann knallte die Pranke ihres Verfolgers wuchtig in ihren Nacken.
Betty schrie…
Ihr heller, in wilder Panik und Angst geborener Schrei gellte über das weite Feld und verlor sich in der Nacht. Niemand hatte ihn gehört, niemand kam ihr zu Hilfe.
Sie war allein.
Allein mit ihrem Mörder.
Der trat ihr die Beine weg. Diesmal konnte Betty sich nicht fangen. Sie fiel auf das weiche Feld. Die Stoppeln stießen gegen ihre Haut, rissen sie auf, doch das merkte sie kaum, sie hatte eine ungeheure Angst vor dem Messer.
Ein schwerer Körper warf sich auf sie.
Dicht vor sich sah sie das Gesicht mit den dämonisch leuchtenden Augen – und das Messer. Übergroß kam es ihr vor, fast wie ein Schwert, und dann spürte sie, wie die freie Hand des Rippers in ihr herrliches langes Haar griff. Noch stärker wurde die Angst. Ihr Schrei erstickte, ein Wimmern war die Folge.
Dann kam das Ende.
Sie sah noch das Messer. Es wurde von links nach rechts gezogen und blitzte wie ein Komet vor ihren Augen auf. Im nächsten Augenblick spürte sie nichts mehr, der Tod hielt sie bereits in seinen knöchernen Armen.
Jack the Ripper allerdings war noch nicht fertig. Er tat das, was er immer getan hatte. Bei jedem seiner fünf Opfer. Zwei Schnitte reichten. Danach hielt er das lange blonde Haar in der Hand, und er legte es auf das Feld.
Den Zettel hielt er schon bereit. Er kicherte seltsam hohl, als er ihn mit spitzen Fingern aus der Tasche zog und mit einem kleinen Stock am Boden befestigte, allerdings so, daß die Schrift auf dem Zettel noch gut zu lesen war.
Er hatte rote Tinte genommen. Eine Farbe, die von Blut kaum zu unterscheiden war.
Nur zwei Worte standen auf dem Papier. Zwei Worte, die bisher Angst und Schrecken verbreitet hatten und den Polizisten schlaflose Nächte beschwerten.
The Ripper!
Noch einmal kicherte er. Dann nahm er die Tote auf und trug sie weg. Schwer stampfte er über das Feld. Eine einsame grauenvolle Erscheinung, ein Mörder, der sich Opfer Nummer sechs geholt hatte.
Weitere sollten und würden folgen.
Bald hatte ihn die Dunkelheit verschluckt…
***
Dieser schreckliche Mord geschah genau in der Nacht, als ich mich mit den Ghouls herumgeschlagen hatte. Zum Glück waren Suko und Will Mallmann gekommen, die mir dabei halfen, diese widerlichen Dämonen zu erledigen.
Gemeinsam hatten wir es geschafft. Die Ghouls in dem Eisenbahnwaggon existierten nicht mehr, sie würden niemand in Gefahr bringen, es war vorbei.
Ich war nach diesem Fall gar nicht erst in meine Wohnung gefahren, sondern hatte bei den Conollys geschlafen. Viel war dabei nicht herumgekommen, zwar blieb ich am Morgen länger liegen, aber mehr als vier Stunden waren nicht drin gewesen.
Zum Glück hatte Sheila ein kräftiges Frühstück serviert, und so saßen wir an diesem Samstag gegen Acht um den runden Tisch herum und ließen es uns schmecken.
Wir, das waren Sheila, ihr Mann Bill, Kommissar Mallmann und ich. Der gute Will wollte in
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