0184 - Der Kraken-Götze
entarteten Sonne konnte ihn also vor der Macht des Amun Re nicht schützen, da sie nur auf die Mächte der jetzigen Zeit reagierte. Der Professor sah seinen besten und einzigen Schutz gegen die Geisterwelt zu einem bloßen Schmuckstück degradiert.
***
Grabeskälte durchfröstelte Doris Schusters Glieder. Widerwillig zwang sie sich, ihre Augen zu öffnen! Angst umkrallte ihr Herz als sie sah, wo sie sich befand. Sie lag mit gespreizten Armen und Beinen auf einer Art Altar! Unsichtbare Kräfte schienen sie zu halten, sie vermochte kein Glied zu rühren. Nur Augenblicke dauerte ihr Kampf gegen die unsichtbaren Gewalten, die stärker als Ketten aus Stahl waren. Tränen der Wut traten in ihre Augen, als sie die Fruchtlosigkeit ihrer Bemühungen erkannte. Wie sie erkennen konnte, trug sie nicht einen Faden mehr am Leib. Die Röte der Scham überflog ihr Gesicht, als sie die violette Gestalt ihr gegenüber wahmahm. Gewaltsam riß sie sich von den stechenden Augen ihres Gegenübers los, der durch sie hindurchzusehen schien. In einer Ecke des seltsamen Raumes stand das, was einmal Hermann Zartes gewesen war. Mit erschreckender Deutlichkeit wurde Doris Schuster klar, daß sie von ihm keine Hilfe zu erwarten hatte.
Wo aber war Birgit Sandner? Was hatte er mit ihr gemacht? Und endlich -was würde ihr zum Schicksal bestimmt sein. Erneut wandt sich das Mädchen in den unsichtbaren Fesseln.
»Was kämpfst du gegen das, was dir vom Schicksal beschieden wurde, Mädchen?« hallte tonlos die Stimme der bis dahin schweigenden Gestalt durch die hochgewölbte Kammer. »Wahrlich, du hast die Ehre, dazu ausersehen zu sein, das große Werk zu vollenden und Amun Res Getreue dem Leben wiederzugeben.«
»Was haben Sie mit mir vor?« begann Doris zu schluchzen. »Und wo ist meine Freundin Birgit? Was haben Sie mit ihr gemacht?«
»Siehe um dich«, kam die Stimme des Magiers. »Siehe auf dem Boden die halbvollendeten Gestalten meiner treuen Diener, die seit Jahrtausenden hier schlafen. Das Leben des ersten Mädchens gab ihnen die Gestalten zurück!«
Doris Schuster wandte den Kopf. Da -was erst wie hohe Sand- oder Staubberge auf dem Fußboden aussah, es wurde langsam zu menschlichen Gestalten.
Aus dem Wust, der den Boden bedeckte, wuchsen Arme und Beine, formten sich Rümpfe und erschienen schließlich häßliche, glattrasierte Köpfe. Tote Augen starrten ins Nichts.
»Dein Leben wird ihnen eine neue Existenz geben!« dröhnte es durch den Totentempel. »Und danach habe ich das erste Aufgebot, die Menschheit wieder dem allgewaltigen Tsat-hogguah untertan zu machen!«
»Wer sind Sie?« schrie Doris Schuster. »Halten Sie sich für Frankenstein oder Dr. Fu-Man-Chu? Sie gehören ja eingesperrt, Sie wahnsinniger… !« Der Rest wurde ein unaufhaltsames Schluchzen.
Amun Re stand mit ausgebreiteten Armen vor seinem Opfer und seine Lippen formten einen monotonen Singsang, deren Wortlaut in Vergessenheit geraten ist. Der Körper des Mädchens wurde von einem Schauer des Grauens durchschüttelt, dann lag er still. Eine Ohnmacht bewahrte sie davor, das Ende mitzuerleben. Ohne, daß sie dessen bewußt wurde, schritt sie durch das Tor der Ewigkeit, rein vor den Thronen der Mächtigen und aufgenommen in den Chor der seeligen Geister. .
Ihr Leben aber floß auf Geheiß des höllischen Meisters in die Adern derer, die einst den Herrn des Krakenthrones zu Grabe getragen hatten und ihrem Leben durch den Stillstand des Herzens ein Ende setzten. So, wie der Leib der Doris Schuster wie ein Nebelstreif verging, rappelten sich die Gestalten auf, griffen Arme in die Höhe. Ächzen und Stöhnen durchbrach die Stille der Gruft.
Amun Res Gesang endete. Mit einem triumphierenden Blick sah er, daß er nichts von seiner magischen Kraft eingebüßt hatte.
Vor ihm standen die lebenden Leichen!
***
Monika Kranz sah die Gestalt ihres Retters auf sich zukommen. Richtig! -Ihre Augen hatten sie nicht getrogen. Die Erscheinung schwebte. Schwebte, wie sie es von den Engeln kannte, von denen ihr die Mutter in ihrer Kindheit erzählt hatte. Und die Gestalt wurde von einem goldschimmemden Schein umflossen.
»Wer bist du?« fragte sie zaghaft.
Die heranschwebende Gestalt gab keine Antwort.
»Gabriel? Raffael? Michael?« nannte Monika fragend die ihr bekannten Erzengel. Die Närrin! Im himmlischen Rang standen diese Erzengel neben den Thronen und waren genau so wenig zu beschwören wie etwa Lucifuge Rofocale. Aber das konnte dieses erwachsene Kind aus der Welt der
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