0194 - Wenn Hexenhände töten
Energie mußte noch in ihr stecken, denn sie warf sich noch einmal hoch, kam auf die Knie und starrte mich an.
Ein schwarzes, verbranntes Etwas mit rotglühenden Augen im Gesicht, die mich an kleine Kohlestücke erinnerten. Ein unheimliches Feuer loderte in ihnen. Ein Feuer, das nicht von dieser Welt stammte, sondern von einer anderen, unendlich fernen und doch so nahen Welt.
Klumpig und verzogen wirkte sie, wie eine riesige Raupe. Dann erlosch das Feuer in ihren Augen, wurde trübe, das Rot verlor sich, und die Schwärze überdeckte es.
Ein letztes Ächzen, ein verzweifeltes Röcheln, grausame Laute, dann war es vorbei.
Es gab keine Madeleine de Haivilland mehr. Durch den Aufprall bröckelte der Körper auseinander und zerfiel zu einem Stoff, der mich an alte Baumrinde erinnerte, wenn ich ihn mir so anschaute.
Ich atmete auf. Mit dem Fuß stöberte ich in den Überresten, sah das Kreuz und nahm es an mich. Es war still geworden. Auch der Klang der Glocke hatte sich verflüchtigt. Nur Maureens Atem unterbrach die Stille.
Allerdings klangen bald darauf aus dem unteren Teil des Hauses dumpfe Geräusche an meine Ohren.
Ich wußte Bescheid. Madeleine war zwar besiegt, aber ihr Vater und ihre Brüder existierten nach wie vor und waren fest entschlossen, ihren Plänen nachzukommen.
Ich mußte meinen Freunden zur Seite stehen, so leid es mir auch tat, Maureen allein zurückzulassen.
»Wenn etwas ist, Maureen, dann schreien Sie bitte. Okay?«
Sie nickte nur, sprechen konnte sie nicht. Ich lächelte ihr noch einmal zu und machte kehrt.
Die Tür war nicht zugefallen. Wenn ich nach unten wollte, mußte ich hinter ihr scharf nach links.
Kaum hatte ich die Kurve genommen, als es geschah.
Ich befand mich nicht allein innerhalb des Gangs. Denn vor mir sah ich die altertümlich gekleidete Gestalt, die mir schon einmal begegnet war.
Madeleines Vater.
Schwarz verbrannte Hände hielten einen Degen, von dessen Klinge Blut tropfte.
Ich hatte den Mörder des Buddy Gorman vor mir!
***
Auch Suko hörte das Geläut der Glocke. Für einen Augenblick rührte er sich nicht, dann faßte er Jorge Gorman unter und schüttelte ihn.
»Mr. Gorman!« zischte er ihn an. »Verdammt, Gorman, kommen Sie endlich zu sich!«
Jorge Gorman schaute den Chinesen an. Mit seinen Gedanken war er ganz woanders. Dies erkannte Suko deutlich. Gorman bewegte die Lippen und flüsterte den Namen seines Sohnes.
Mit dem Handrücken schlug Suko dem Mann ins Gesicht. Er sah einfach keine andere Chance, ihn wieder in die Wirklichkeit zurückzuholen.
Seine Methode hatte Erfolg. Der Blick des Mannes klärte sich. Jorge schaute Suko an, der ihn herumdrängte und auf die Küche zuschieben wollte.
»Wir müssen weiter«, sagte er.
»Und Bud?«
»Ihm kann keiner mehr helfen. Verstehen Sie denn nicht? Jetzt geht es um Ozzy.«
Jorge nickte. Dann furchte er die Stirn. »Ozzy?« murmelte er tonlos.
»Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wir müssen ihn finden. Wir müssen…«
»Natürlich, das wollte ich auch.«
»Auch Maureen.«
»John Sinclair ist bei ihr.«
»Ja, gut.«
Endlich hatte Suko den Mann überzeugt. Er drängte ihn durch den schmalen Flur auf die Küchentür zu. Noch immer schlug weit entfernt die Glocke, aber ihr Klang wurde bereits schwächer, und plötzlich übertönte ihn ein gellender Schrei.
Der war nicht von einem Mann ausgestoßen, sondern von einer weiblichen Person. Suko zögerte einen Augenblick bevor er die Küchentür aufstieß und schaute die Treppe hoch.
Die Chance nahm Jorge Gorman wahr. Er drückte die Tür auf, betrat die Küche und blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen.
Sie waren zu zweit!
Vier Hände insgesamt schwebten in der Luft. Jeweils die rechten Hände hielten die beiden Degen fest, über deren Klingen Blut rann. Das Blut eines Menschen, der neben dem Tisch lag und jämmerlich stöhnte, weil man ihm zahlreiche Verletzungen zugefügt hatte.
Der Mann war Ozzy Gorman!
***
»Du verfluchter Mörder!« schrie der alte de Haivilland mich an. »Du hast meine Tochter getötet! Und dafür wirst du büßen. Stirb endlich, du Hundesohn!«
Er stieß zu.
Damit hatte ich gerechnet. Es war sehr schwer, in dem engen Flur auszuweichen, deshalb griff ich zu einem Trick und hoffte nur, daß er gelang.
Wieder nahm ich das Kreuz. Als die Degenklinge auf mich zufuhr, preßte ich mich gegen die Wand und warf die Kette über die Klinge.
Zusammen mit dem Kreuz rutschte sie nach unten, während mich der gefährliche
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