0196 - Flucht vor den Riesenspinnen
bekamen sie von innen nicht zu sehen, weil die Zeit nicht reichte, aber die Basilika di San Marco als Höhepunkt war mehr als ausreichend, und Bibliothek und Accademica konnten nur flüchtig durcheilt werden. Dabei hatten sie einen Gondoliero erwischt, der sich gegen Verabfolgung eines Trinkgeldes als erstaunlich gesprächig erwies, sogar in kalifornischem Slang mithalten konnte und sie an allen interessanten Bauwerken zumindest vorbeifuhr. Der Canal Grande kostete er voll aus, bog auch mal in Seitenkanälchen ein und vergaß auch nicht, auf die Insel Murano hinzuweisen, die für ihre Glasbläserkunst berühmt ist.
Am Piazzetta, dem ehemaligen Entrée der Stadt, hatte die Fahrt ihr Ende. Dort wartete der bereitgestellte Mietwagen, und nach all der Pracht und Größe, die die beiden bewundert hatten, war der Wagen weniger groß. Zwar der größte, den der Autoverleih greifbar hatte, gefiel es Frederic dennoch nicht, daß er am Lenkrad des Fiat ziemlich beengt saß. Er war noch das amerikanische Größenformat der Straßenkreuzer gewohnt, in denen man sich nach allen Seiten ausstrecken kann und immer noch Platz hat, wenn auch drei Personen im Wagen nebeneinander sitzen.
Per Fiat düste er landeinwärts. Cathy versuchte immer wieder im Rückspiegel einen Blick auf die Skyline der kleiner werdenden Lagunenstadt zu erhaschen, und Frederic gab sarkastisch seiner Vermutung Ausdruck, daß dieser Fiat ein Auslands-Reimportwagen sein müßte - weil er reichhaltig mit Rückspiegeln ausgestattet war. »Kennst du nicht die eherne Grundregel der italienischen Fahrweise?« schmunzelte er, als er Cathys erstaunten Blick sah. »Was hinter dir geschieht, geht dich nichts an - und wer vor dir fährt, hat gefälligst Platz zu machen!«
»Na, ganz so schlimm wird es wohl doch nicht sein«, widersprach Cathy auflachend. »Die ganzen Vorurteile gegen italienische Autofahrer stammen doch sicher daher, daß die ausländischen Fahrer sich mit dem temperamentvollen Fahrstil nicht abfinden können!«
»Da kannst du recht haben«, murmelte Frederic.
Fünf Kilometer außerhalb der Stadt lag das weiße Landhaus, das ihnen benannt worden war.
Signor Sergio Riccone empfing sie.
Worum es überhaupt ging, wußte Frederic nicht, und es interessierte ihn auch nicht. Er wurde dafür bezahlt, daß er einen Koffer mit Dokumenten von Italien nach Kalifornien zum Hauptwerk seiner Firma brachte. Der Beschreibung nach sollten sich technische Zeichnungen in dem Koffer befinden, und dem Schild an der Grenzmauer der weißen Villa nach war Signor Riccone Erfinder und Konstrukteur.
Sergio Riccone ließ Wein auffahren. Cathy nippte am Pokal, Frederic wehrte höflich dankend ab. Er hatte italienische Weine fürchten gelernt und wollte den Miet-Fiat nicht mit Gewalt vor den nächsten Baum oder einen Streifenwagen der Polizia stradale knallen, von denen er auf der kurzen Strecke allein vier Stück gesehen hatte.
»Wie sie wollen, Mister Portland«, lächelte Riccone, der akzentfreies Oxford-Englisch sprach. Er ließ Fruchtsaft servieren.
Selbstverständlich verstand Riccone, daß es die Portlands kurz machen wollten, um am Abend noch einmal ausgiebig Zeit für Venedigs Schönheiten zu haben. Riccone lächelte, aber das Lächeln paßte nicht zu seinem blassen, kantigen Gesicht. Trotz des warmen Sommerwetters und strahlender Sonne trug er einen schwarzen Anzug und hatte die Augenpartie mit einer breiten Sonnenbrille verdeckt.
»Schade, daß Sie nicht ein paar Tage länger Zeit haben. Ich hätte Ihnen Venedig gern selbst gezeigt, aber auch ich habe Termine, und darum bin ich nicht einmal unfroh, daß Sie nicht viel Zeit haben«, deutete er an. »Dennoch möchte ich Sie bitten, mich zu besuchen, wenn Sie wieder einmal in die Gegend kommen.«
»Danke«, erwiderte Frederic knapp, dem Riccone ein wenig seltsam vorkam. Schwitzte der in seinem schwarzen Anzug eigentlich nicht?
Auf einen Wink brachte Riccones Hausdiener einen schwarzen Koffer, der mit Schlössern versehen war. Die Schlüssel händigte er mit aus. »Bitte, Mister Portland…«
Portland blieb Geschäftsmann. Er öffnete den Koffer und sah Zeichnungen. Sorgfältig verschloß er das Behältnis wieder und ließ sich und Cathy von Riccone verabschieden.
Als sie in den Fiat stiegen, zuckte Cathy erschrocken zusammen. Ihre Augen weiteten sich, und dann hatte sie es unheimlich eilig, die Wagentür zuzureißen. »Fahr los!« stöhnte sie. »Schnell, Fred!«
Er tat ihr den Gefallen, während Riccone in der
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