02 - Der 'Mann in Weiß'
gefährliches Wespennest zu stechen. Hier ging es um mehr als um einfache Grabräuberei. Hier ging es um eines der großen Rätsel der Archäologie.
Die von Branson zerstörte Ruine hatte nämlich eindeutig einen Bezug zum berühmt-berüchtigten Maya-Kalender hergestellt, von dem Branson entgegen der allgemeinen Meinung behauptet hatte, er würde schon im Februar 2012 enden und nicht erst am 21. Dezember. Warum der ehemalige Kritiker des medienwirksam heraufbeschworenen Weltuntergangs plötzlich nicht nur seine Meinung geändert, sondern auch noch die mutmaßlichen Beweise dafür in die Luft gesprengt hatte, war Tom nach wie vor schleierhaft.
Vielleicht würde das, was da unter Umständen auf Cozumel lagerte und zu dem die Wandkarte eine Art Wegweiser bildete, mehr Klarheit in dieses Rätsel bringen.
Tom nahm erneut ein Taxi und ließ sich zurück zum Hotel fahren.
Kurze Zeit später bekam er Besuch. Antonio Carlos stand vor der Tür. »Wenn du mich zu einem Tequila an der Hotelbar einlädst, habe ich Neuigkeiten für dich, mein Gringo-Freund«, kündigte der Kellner mit einem breiten Grinsen an.
»Daran soll's nicht scheitern«, gab Tom zurück. »Von mir aus auch zwei.«
Die Hotelbar lag direkt am palmengesäumten Swimmingpool. Sie setzten sich an einen kleinen Tisch in einer von Blumenkübeln umstellten Nische, wo sie ihre Ruhe vor den rund fünfzig anderen Pool- und Bargästen hatten.
Antonio kippte seinen Tequila, Tom hielt sich lieber an einem eiskalten Corona fest, auch wenn ihm das mexikanische Bier eigentlich zu leicht war.
»Und? Hast du schon etwas über Cordova herausgefunden? So schnell hätte ich ehrlich gesagt nicht damit gerechnet.«
Antonio grinste wieder. »Die Information kommt auch nicht von einem der Laufburschen, sondern von meinem… He, was hast du?«
Tom war aufgesprungen. Er lief am Pool entlang zur anderen Seite und dort zu einem Pflanzenkübel mit Palme. Daneben stand ein Liegestuhl, auf dem es sich ein kleiner, braun gebrannter Tourist bequem gemacht hatte.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte der Mann unsicher in schlechtem Spanisch.
Tom hatte den Kübel umrundet und lächelte beruhigend. »Nein, entschuldigen Sie. Ich dachte nur gerade, ich hätte einen Bekannten gesehen.«
»Hinter der Palme versteckt?«
Tom zuckte die Schultern. »Eine Marotte von ihm. Aber keine Sorge, ansonsten ist er harmlos.« Damit ließ er den Touri allein und ging zurück.
Antonio sah ihm fragend entgegen. »Warst du hinter einer Señorita her? Dann hättest du mich ruhig mitnehmen können.«
Tom schüttelte den Kopf. »Nein«, murmelte er. »Mir war, als hätte ich jemanden gesehen, aber ich hab mich wohl geirrt.« Leide ich unter Verfolgungswahn? , fragte er sich in Gedanken. Ich hätte geschworen, dass es der Indio war. Derselbe Mann, der nun schon so oft seinen Weg gekreuzt hatte, dass es kein Zufall mehr sein konnte. »Aber du wolltest mir gerade etwas erzählen, Antonio«, brachte er das Gespräch wieder in Gang.
»Ach ja: Señor Cordova. Es zahlt sich immer aus, wenn man einen Schwager hat, der einen kennt, der wiederum einen kennt, der einen Bekannten hat, der immer bestens informiert ist. Du verstehst?«
»Si.«
»Auf jeden Fall kann ich dir mitteilen, dass Señor Cordova vorgestern Morgen zur Ostküste Yucatáns gereist ist. Zuletzt war er im Iberostar Paraiso Beach und in Playa del Carmen, um irgendwelche Touristen zu den Maya-Stätten zu lotsen. Ich an deiner Stelle würde mich mal in den drei besten Hotels von PdC umhören, denn was man von Cordova so hört, lebt er auf großem Fuß.« Antonio seufzte und schielte zur Bar. »Ich dagegen muss mir jeden einzelnen Tequila hart verdienen. Was mache ich nur falsch?«
»Ganz einfach, Antonio: Du bist eine ehrliche Haut. Ich möchte wetten, Cordova verdient seine Pesos mit illegalen Geschäften, Grabräubereien und so was in der Art.«
Antonio starrte ihn verblüfft an. »Du hast also auch schon mehr über ihn herausgefunden?«
»Nur gehört, aus zweifelhafter Quelle«, gab Tom zurück. »Stimmt es denn?«
»Ja, in der Tat. Vor zwei Jahren ging es hier mal vor Gericht um den illegalen Handel mit Maya-Fundstücken. War eine ziemlich große Sache damals. Sie hatten Cordova schon fast am Wickel, aber dann sind wichtige Beweise plötzlich auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Und der einzige Zeuge hatte kurz darauf einen komischen Unfall. Ist in der Badewanne ersoffen, obwohl seine Frau Stein und Bein geschworen hat, das Ferkel hätte
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